Barrett-Karzinom

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Allgemeines

Als Barrett-Karzinom wird Krebs der unteren Speiseröhre bezeichnet, der sich auf dem Boden einer meist langjährigen Refluxkrankheit entwickelt. Menschen, die ständig unter Sodbrennen leiden, sind gefährdet und sollten auf die Entwicklung eines „Barrett-Ösophagus“ und speziell auf ein Barrett-Karzinom untersucht werden. Die Gesamtüberlebensrate bei festgestelltem Ösophaguskarzinom liegt bei nur 5 %. Die Rezidivrate unter Chemotherapie ist außerordentlich hoch. Man kann jedoch einem Barrett-Karzinom vorbeugen. Eine gute Vorsorge sollte bereits bei der Diagnostik von wiederkehrendem saurem Aufstoßen und Sodbrennen beginnen.

Der Typ des Ösophaguskarzinoms hat sich in den letzten Jahren vom Plattenepithelkarzinom in Richtung Adenokarzinom verschoben. Das Adenokarzinom ist in der Regel ein Karzinom in einem Barrett-Abschnitt der Speiseröhre am Übergang vom Magen zur Speiseröhre. Beim Barrett-Karzinom handelt es sich um ein Adenokarzinom auf dem Boden von Dysplasien im Bereich der Zylinderzellmetaplasien, die endoskopisch gut erkennbar sind. Es wird häufig als EAC abgekürzt (esophageal adenocarcinoma).

Symptome treten oft erst spät auf; erstes Zeichen sind oft Schluckbeschwerden. Sind erst Symptome vorhanden, beträgt die Überlebensrate nach 5 Jahren weniger als 15 %. (1)Gastroenterology. 2018 Jan;154(2):421-436. DOI: 10.1053/j.gastro.2017.07.041. Epub 2017 Aug 2. … Continue reading

Marker für verschiedene Epithelzelltumore inklusive des Ösophaguskarzinoms ist das Epithelzelladhäsionsmolekül (EpCAM). Es stammt von Krebsstammzellen (CSC). EpCAM kann bei EAC hochreguliert sein und zu besonders aggressivem Verhalten und zu einem ungünstigen klinischen Ergebnis führen.

Für die Therapie stehen je nach Stadium und Ausbreitung verschiedene Optionen zur Verfügung: in frühem Stadium endoskopische und operative Maßnahmen, später Chemotherapie.

Dysplasie als Vorstufe

Eine Dysplasie ist die Vorläuferläsion des Ösophagus-Adenokarzinoms (EA) bzw. des Ösophagus-Plattenepithelkarzinoms (ESCC). Das Risiko einer solchen Läsion in der unteren Speiseröhre ist bei einer chronischen Refluxösophagitis mit Ausbildung eines Barrett-Ösophagus deutlich erhöht. Durch die chronische Entzündung verändert sich die Schleimhaut. Die durch die Salzsäure des Magens geschädigte Schleimhaut der Speiseröhre geht zugrunde und wird allmählich durch die schneller proliferierende Schleimhaut des Magens ersetzt. Der Übergang der Schleimhaut des Magens zu der des Ösophagus verschiebt sich daher nach oben (mundwärts). Dieser Abschnitt wird als Barrett-Schleimhaut des Ösophagus bezeichnet. In ihm kommt es auf Dauer zu mikroskopisch erkennbaren dysplastischen Veränderungen (Fehlanordnungen von Epithelzellen, Dysplasie), die oft, aber nicht immer, auch endoskopisch verdächtigt werden können. Sie sind noch gutartig, tragen jedoch ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko in sich. Sie sind Karzinomvorstufen und müssen beobachtet oder gleich entfernt werden. Wie hoch das Risiko eines Karzinoms ist, hängt von der Länge der Barrett-Metaplasie ab; bis 3 cm ist sie noch relativ gering, steigt dann aber mit zunehmender Ausdehnung an.

Typen

Es finden sich endoskopisch verschiedene Erscheinungsformen: exophytisch-polypoid, ulzerös oder flach und diffus infiltrierend, was endosonographisch nachweisbar ist.

Symptomatik

Das Barrett-Karzinom macht sich in der Regel durch Schluckbeschwerden (Dysphagie) oder einen Bolusverschluss (steckengebliebener Bissen) auf sich aufmerksam. Selten wird es durch eine endoskopische Routinekontrolle entdeckt.

Diagnostik

Endoskopie

Zur Entdeckung von Dysplasien und ggf. auch von einem Frükarzinom sind multiple Biopsien aus dem Bereich des Barrett-Ösophagus, also der Zylinderzellmetaplasie erforderlich, da sie übersehen werden können. Bei fortgeschrittenen Fällen kann die Differentialdiagnose eines Barrett-Karzinoms und eines Cardiakarzinoms schwierig sein. Das Barrett-Karzinom kann submukös (unter die Schleimhaut) infiltrieren, so dass seine Ausbreitung endoskopisch nicht abgeschätzt werden kann.

Endosonographie

Sie dient der Diagnostik der lokalen Ausbreitung und eines Lymphknotenbefalls. Beim Frühkarzinom ist sie der Computertomographie überlegen.

Computertomographie

Sie dient der Diagnostik der Ausdehnung und der Metastasierung.

Screening bei erhöhtem Risiko eines Barrett-Karzinoms

Um ein Barrett-Karzinom frühzeitig erkennen zu können, sollten bei Gefährdeten nach den Kriterien von Wilson und Jungner (2)Bull World Health Organ. 2008 Apr;86(4):317-9. DOI: 10.2471/blt.07.050112. PMID: 18438522; PMCID: … Continue reading ein Screening erfolgen. Die effizienteste Methode ist die direkte Besichtigung durch konventionelle Endoskopie mit der Möglichkeit einer Gewebeprobenentnahme. Sie is allerdings zum Screening wegen Aufwand, Kosten und Patientenbelastung nicht gut geeignet. Ein „Cytosponge“ hat relativ gute Ergebnisse gebracht und eignet sich zum Screening deutlich besser. Es handelt sich um eine Methode, über einen „Schwamm“ an einem dünnen Katheter aus dem Ösophagus Zellen zu sammeln, die mikroskopisch, proteomisch (auf Alterationen im Proteinmuster: auffällig MSH6 und XPO5 (3)Gastroenterol. 2021 Sep;56(9):791-807. DOI: 10.1007/s00535-021-01802-2. Epub 2021 Jul 5. PMID: … Continue reading ) und genetisch untersucht werden können. Die Sensitivität beträgt praktisch 80 % bis 87,2 % für große Barrett-Läsionen und bis 89,7 % bei zweimaliger Zellsammelprozedur. (4)PLoS Med. 2015 Jan 29;12(1):e1001780. DOI: 10.1371/journal.pmed.1001780. PMID: 25634542; PMCID: … Continue reading

Therapie

Operation: Beim Frühkarzinom war bislang die operative Therapie erste Wahl. Wenn eine Infiltration des Gewebes unter die Schleimhaut beginnt, kann eine Resektion noch zu Heilung führen. Wenn jedoch bereits Lymphknotenmetastasen vorliegen, erkennbar in der Endosonographie und im Computertomogramm, ist eine chirurgische Heilung nicht mehr wahrscheinlich. In Einzelfällen eines fortgeschrittenen Karzinoms ist eine chirurgische Palliation zur Verbesserung des Symptomatik möglich. Bei einer Verengung (Stenosierung) kann eine Lasertherapie zur Erweiterung des Lumens mit anschließender Stenteinlage zur Verhinderung des neuerlichen Zuwachsens diskutiert werden. Ansonsten sollte rechtzeitig vor einer zu hochgradigen Verengung eine PEG-Sonde (Ernährungssonde durch die Bauchdecke in den Magen) eingelegt werden.

Endoskopische Therapie: In einigen Zentren besteht Erfahrung mit der endoskopischen Abtragung von Frühkarzinomen im Ösophagus (endoskopische Mukosaresektion). Voraussetzung ist, dass der Krebs die Mukosa nicht überschreitet. Das ist durch eine hochauflösende Endosonographie möglich. In solch einem Fall kommt eine endoskopische Mukosektomie (endoskopische Mukosaresektion) infrage. Bei ihr wird die betroffene Schleimhautstelle zunächst durch Unterspritzung angehoben und dann relativ gefahrlos mit dem Elektromesser abgetragen. Die endoskopische Mukosaresektion ist die heute anzustrebende Methode einer kurativen Therapie beim lokalen Frühkarzinom. (5)Gastroenterology. 2020 Feb;158(3):760-769. DOI: 10.1053/j.gastro.2019.09.051. Epub 2019 Nov 12. … Continue reading

Chemotherapie: Wenn eine kurative (heilende) Behandlung nicht mehr möglich ist, so kommt eine Chemotherapie infrage. Sie führt jedoch nur zu einer geringen Lebensverlängerung und ist mit bedeutenden Nebenwirkungen behaftet. In eine Publikation werden die Optionen zusammengefasst. Zu ihnen gehören 5-Fluorouracil (5-FU), Capecitabin, S-1 und andere orale 5-FU-Prodrugs sowie Cisplatin oder Oxaliplatin. Die Zugabe von Docetaxel zu 5-FU/Cisplatin ist eine Option für junge und fitte Patienten. Andere Chemotherapeutika können einen gewissen benefit erbringen, so z. B. Epirubicin, und in Zweit- und Drittlinientherapie auch Taxane und Irinotecan. (6)Chin Clin Oncol. 2017 Oct;6(5):49. DOI: 10.21037/cco.2017.07.06. PMID: 29129089.

Adverse Wirkung von Chemotherapeutika: Adriamycin, Cisplatin und 5-Fluorouracil (ACF) können zum Anstieg der EpCAM-Expression führen, und zwar in einer durch die Medikamente selektierte Subpopulation der Krebszellen. Die Expression von EpCAM kann also durch Chemotherapeutika erhöht werden und das maligne Potenzial des Karzinoms erhöhen. (7)Cell Oncol (Dordr). 2018 Dec;41(6):651-662. DOI: 10.1007/s13402-018-0399-z. Epub 2018 Aug 16. … Continue reading

Perspektive Immuntherapie: Krebszellen innerhalb des Ösophaguskarzinoms, die therapieresistent sind, werden als Ausgangszellen für ein Wiederauftreten nach Chemotherapie angesehen. Daher wird nach Möglichkeiten gesucht, diese Zellen mit einer Immuntherapie anzugreifen. In-vitro-Untersuchungen mit Kulturen von Zellsphären und dem bispezifischen Antikörper Solitomab sehen erfolgversprechend aus. (8)J Thorac Dis. 2021 Apr;13(4):2404-2413. DOI: 10.21037/jtd-21-442. PMID: 34012588; PMCID: … Continue reading

Solitomab ist ein bispezifisches Einzelketten-Antikörperkonstrukt, das auf epitheliale Zelladhäsionsmoleküle auf Tumorzellen, speziell auf das epitheliale Zelladhäsionsmolekül (EpCAM) abzielt und auch eine CD3-Bindungsregion enthält. Es hat sich bereits als gute Perspektive bei anderen Karzinomen herausgestellt. (9)Am J Obstet Gynecol. 2016 Jan;214(1):99.e1-8. DOI: 10.1016/j.ajog.2015.08.011. Epub 2015 Aug 10. … Continue reading (10)J Exp Clin Cancer Res. 2015 Oct 17;34:123. DOI: 10.1186/s13046-015-0241-7. PMID: 26474755; PMCID: … Continue reading

Nivolumab (monoklonaler Antikörper, der selektiv an den programmierten Death-1 (PD-1)-Rezeptor auf der Oberfläche von T-Zellen bindet) ist ebenfalls in Einzelfällen erfolgreich gewesen, beispielsweise bei der Behandlung eines Herzbeutelergusses, der durch eine Percarditis carcinomatosa auf dem Boden eines Ösophaguskarzinoms bedingt war (11)Intern Med. 2024 Mar 1;63(5):677-680. doi: 10.2169/internalmedicine.2041-23.


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Verweise

Literatur[+]