Estragol ist ein flüchtiges pflanzliches Terpenoid, das in Gewürzen wie Estragon, Anis, Basilikum und Fenchel vorkommt, und die wesentlich zu ihrem Geruch und Geschmack beiträgt. Laut FDA hat es einen sicheren Konzentrationsbereich bis zu 1,9242 mg/kg Körpergewicht pro Tag 1.
Estragol in Fencheltee
Estragol ist eine organische Substanz mit aromatischer Struktur (ein Alkenylbenzol, ähnlich wie Trans-Anethol), welche in Fenchel enthalten ist. In einer Untersuchung wurden unterschiedliche Estragolgehalte im Bereich von 0,15 bis 13,3 mg/g von getrocknetem Fenchel gefunden. Der Estragolgehalt in Aufgüssen war erheblich niedriger und lag zwischen 0,4 und 133,4 μg/25 ml (zubereitet aus 1 g getrocknetem Fenchel). Aufgüsse aus ganzen Fenchelfrüchten enthielten etwa dreimal weniger Estragol als Aufgüsse aus fein geschnittenem Fenchelmaterial 2.
Wirkungen
Estragol wirkt antibakteriell (beispielsweise auf verschiedene Staphylococcus-aureus-Stämme) und wirkt unterstützend auf die Wirksamkeit von Antibiotika (beispielsweise Ciprofloxacin). 3 Es hemmt das Wachstum des Pilzes Aspergillus flavus und seine Aflatoxin-Produktion 4.
Estragol hat laut Tierversuchen entzündungshemmende, antioxidative, Darm-relaxierende und gefäßerweiternde Wirkungen. 5 Zudem soll es magenschützende Wirkung entfalten 6.
An Nervenzellen führt Estragol zu einer Abnahme der Erregbarkeit, was durch eine Hemmung am Natriumkanal erklärt wird 5 In Tierexperimenten wurde auch eine anxiolytische (Angst-lösende) Wirkung nachgewiesen. 7.
Estragol hemmt das Wachstum und die Aflatoxin-Biosynthese von Aspergillus flavus, indem es die Homöostase reaktiver Sauerstoffspezies beeinflusst. In Untersuchungen zeigte es eine bedeutende Aktivität gegen den Pilz A. flavus mit einer minimalen Hemmkonzentration von 0,5 μl/ml gegen die Sporenkeimung. Es hat daher auch in der Landwirtschaft eine potenzielle Bedeutung: Aspergillus flavus kontaminiert Nutzpflanzen und produziert Aflatoxine, sowie weitere krebserregende Stoffwechselprodukte (Mykotoxine), welche die landwirtschaftliche Produktion und damit die Gesundheit von Mensch und Tier gefährden. Westindischer Lorbeer (Pimenta racemosa, Bay) soll aufgrund der Sicherheit, Umweltfreundlichkeit und hohen Wirksamkeit seiner ätherischen Öle inklusive Estragol eine vielversprechende Quelle für antimykotische Präparationen darstellen 4.
Potenzielle Gesundheitsrisiken
Nebenwirkungen und potenzielle Gesundheitsrisiken sind Gegenstand intensiver Forschung. Eine Bioaktivierung von Estragol führt zu Addukten an verschiedene biologisch wirksame Substanzen, wie an DNA (Desoxyribonukleinsäure) und an Hämoglobin 8.
- Estragol ist krebserregend 9. Es erhöht in Tierversuchen bei der Maus das Leberkrebsrisiko. Dafür verantwortlich ist ein enzymatisches Produkt des Estragol, das 1-Sulfooxyestragol. Es bindet an die Erbsubstanz DNA und wirkt mutagen 10 11. Die Bioaktivierung von Estragol zum ebenfalls karzinogenen 1-Hydroxyestragol erfolgt durch Cytochrom P450 Enzyme, speziell durch CYP450 1A2 und 2A6. Langsammetabolisierer (Menschen, die Estragol über diese Enzyme nur langsam umwandeln) bilden weniger Karzinogene aus Estragon, wohingegen Zigarettenrauchen und der Genuss von Hammelfleisch, das Cytochrom CYP1A2 induzieren, das Krebsrisiko von Estragol ansteigen lassen 12. Im Gegensatz zur weiblichen Maus ist Estragol bei der männlichen Maus und bei Ratten offenbar nicht vermehrt karzinogen 13.
- Estragol verändern auch beim Menschen die Erbsubstanz. Dies wurde dosisabhängig auch in menschlichen Hepatomazellen (HepG2) nachgewiesen. Daher wird eine Mutagenität und Kanzerogenität auch im Menschen angenommen 14 15. Es wird darauf hingewiesen, dass bei häufigem Gebrauch von Estragol-haltigen Gewürzen eine bedeutsame Ansammlung solcher Addukte zustande kommt. 16
- Bezüglich gesundheitlicher Risiken werden Pflanzenextrakte, die Estragol enthalten, kritisch bewertet. Andererseits wird auch darauf hingewiesen, dass Statistiken zu Gesundheitsrisiken nicht existieren; vielmehr ließe der lange, offenbar gefahrlose traditionelle Gebrauch der Gewürze in der Volksmedizin, speziell von Fenchel, eher annehmen, dass die Risiken vernachlässigbar gering sind. 17 Eine solche Entwarnung ist jedoch bis zum Nachweis einer Unbedenklichkeit durch weitere Forschung in Zweifel zu ziehen. Es wird eine Technologie angemahnt, die die Estragol-Belastung in Tees reduziert. 18
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Verweise
Referenzen
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