Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Diarrhö bedeutet Durchfall, Durchfallerkrankung. Sie ist charakterisiert durch zu häufigen und zu dünnen Stuhl. Typisch sind mehr als 3 dünnflüssige Stühle pro Tag und ein Stuhlgewicht meist von mehr als 200 g. Die Diarrhö ist abzugrenzen von der Pseudodiarrhö (s. u.) und der Stuhlinkontinenz (unfreiwilliger Stuhlabgang). Am häufigsten ist Durchfall akut und infektiöser Genese. Die akute infektiöse Diarrhö verläuft meistens selbst limitierend. Dauert sie länger an, sollte ihre Ursache untersucht werden.
Einteilung
Akuter und chronischer Durchfall
Die akute Durchfallkrankheit ist meistens infektiös oder toxisch bedingt, verläuft selbstlimitierend und dauert weniger als 3 Wochen, häufig nur 1 – 3 Tage. Die chronische Durchfallkrankheit dauert länger als 3 – 4 Wochen. Ein wiederkehrender Durchfall kann allergisch, durch eine Überempfidlichkeitsreaktion oder durch ein Reizdarmsyndrom verursacht sein.
Akuter Durchfall
Er ist häufig Ausdruck einer akuten infektiösen Gastroenteritis. Er ist in der Regel selbstlimitierend und bedarf i. d. R. keiner antibiotischen Therapie, außer bei Fieber und blutigem Durchfall, wenn die Symptome über 1 Woche anhalten, oder bei Immunschwäche. (1)Clin Microbiol Infect. 2015 Aug;21(8):744-9. DOI: 10.1016/j.cmi.2015.03.002. Epub 2015 Mar 11. … Continue reading Auslöser mit endemischer Ausbreitung können Viren (z. B. Rotaviren) sein. Als häufige pathogene Keime kommen Campylobacter, Salmonella, Shigella, Vibrio, Aeromonas, Plesiomonas und Clostridium difficile in Betracht. (2)Clin Lab Med. 2015 Jun;35(2):313-31. DOI: 10.1016/j.cll.2015.02.005. Epub 2015 Apr 4. PMID: … Continue reading
Einige Differenzialdiagnosen:
Chronischer Durchfall
Persistierende Durchfälle, die länger als 14 Tage andauern, sind verdächtig auf eine chronische Enteritis. Wenn sie infektiös bedingt sind, kommen Parasiten, wie Giardia und Cryptosporidien, Protozoen und pathogene Bakterien, wie enteroaggressive Escherichia coli und Shigella, infrage. (3)JAMA. 2016 Jun 28;315(24):2712-23. DOI: 10.1001/jama.2016.7833. PMID: 27357241. Ansonsten ist an Autoimmunerkrankungen des Magendarmtrakts, wie an die Sprue und den Morbus Crohn, oder an virale Infektionen und an eine Abwehrschwäche zu denken.
Ab einer Dauer von 4 Wochen wird eine akut beginnende Diarrhö als chronisch eingeordnet. Eine wichtige Differenzialdiagnose ist das Reizdarmsyndrom. Es kann von anderen Ursachen durch Schmerzen vor dem Stuhlgang unterschieden werden, die nach dem Stuhlgang verschwinden oder gelindert sind. Auch finden sich bei ihm häufige Wechsel der Stuhlform oder -häufigkeit (Rom-Kriterien, siehe hier). Wichtige Ursachen sind eine chronisch entzündliche Darmkrankheit, eine spezielle Ernährungsform (bei Nahrungsmittelunverträglichkeit), Medikamente und eine Strahlentherapie. Häufig bedarf die Diagnosestellung einer endoskopischen und histologischen Untersuchung einer Gewebeprobe. (4)Clin Gastroenterol Hepatol. 2017 Feb;15(2):182-193.e3. DOI: 10.1016/j.cgh.2016.07.028. (5)DEN open. 2021 Sep 28;2(1):e53. DOI: 10.1002/deo2.53
Einige Differenzialdiagnosen:
- chronisch entzündliche Darmkrankheit
- Pseudomembranöse Kolitis
- Kollagenkolitis
- Lymphozytäre Kolitis
- Morbus Whipple
- Coeliakie (einheimische Sprue)
- Chronische Verdauungsstörung
- Syndrom der blinden Schlinge
- Darmtuberkulose
- Nahrungsmittelunverträglichkeit und –allergie
- Reizdarmsyndrom mit überwiegender Diarrhö
Pseudodiarrhö
Die Pseudodiarrhö lässt sich von der echten Diarrhö abgrenzen, wenn die Stühle zwar häufig, aber nicht konsistenzgemindert sind. Sie kommt beispielsweise beim Colon irritabile (Reizdarm) und bei Enddarmerkrankungen vor. Auch die Stuhlinkontinenz durch Beckenboden- und Enddarmerkrankungen kann eine entzündliche Darmkrankheit vortäuschen.
Steatorrhö
Als Steatorrhö wird schmieriger, fettiger Stuhl bezeichnet. Das Stuhlfett liegt > 7 g pro Tag. Sie kommt bei einer Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse vor, wie sie bei einer schweren Entzündung mit exokriner Pankreasinsuffizienz auftritt.
Osmotischer Durchfall
Die osmotische Durchfallkrankheit entsteht durch Übertritt osmotisch wirksamer Substanzen aus dem Dünndarm in den Dickdarm.
- Beispiele: magnesiumhaltige Magenschutzpräparate oder Abführmittel, Polyäthylenglykol, Laktulose, Sorbit, Xylit, Acarbose.
Unzureichend verdaute Nahrungsbestandteile gelangen unresorbiert in den Dickdarm und nehmen ihr Lösungswasser mit, was ebenfalls zu Durchfällen führt.
- Beispiele: Disaccharide bei angeborenem oder erworbenem Disaccharidasemangel, mangelhaft zersetzte und daher nicht vollständig resorbierte Nahrungsbestandteile bei Pankreasinsuffizienz oder bakterieller Besiedlung des Dünndarms oder bei Dünndarmerkrankungen wie der Sprue oder dem Morbus Whipple, beschleunigte Dünndarmpassage bei Hyperthyreose, Karzinoid, Gastrinom oder Kurzdarmsyndrom).
Der osmotische Durchfall sistiert (stoppt) bei Nahrungskarenz. Die Natriumkonzentration im Stuhl ist gering (ca. 30 mval/l).
Sekretorischer Durchfall
Sie sistiert nicht bei Nahrungskarenz. Die Natriumkonzentration im Stuhl liegt mit etwa 100 mval/l sehr viel höher, als bei der osmotischen Diarrhö.
Ursachen:
- Schleimhautreizende Laxanzien (beispielsweise Anthrachinone, Bisacodyl, Oxyphenisatin, Senna, Aloe, Rhizinusöl),
- Toxine (beispielsweise Arsen, Pilzgifte, Koffein),
- Medikamente (beispielsweise Theophyllin, Chinidin, Colchicin, Prostaglandine wie Misoprostol, Diuretika wie Thiazide, Furosemid),
- Bakterientoxine (beispielsweise von Clostridium difficile, Staphylococcus aureus, Colistämmen, Yersinien, Campylobacter),
- Nahrungsmittelallergene,
- Gallensäuren (Gallensäure-spill-over in das Kolon, chologene Diarrhö, Folge Gallensäureverlustsyndrom),
- Tumore mit Produktion von Mediatorstoffen: Gastrinom, VIPom, Karzinoid, villöses Adenom.
Differenzialdiagnostische Hinweise
Hinweise auf die Ursache oder die Einordnung der Diarrhö ergeben sich aus folgenden Informationen:
- Stuhldrang aus dem Schlaf heraus spricht gegen eine funktionelle Ursache (das Reizdarmsyndrom kommt kaum noch infrage).
- Übelriechende Stühle sprechen für eine mangelhafte Eiweißverdauung und eine osmotische Diarrhö.
- Persistierende Durchfälle unter Nahrungskarenz sprechen für eine sekretorische Komponente.
- Ein Sistieren der Durchfälle unter Nahrungskarenz spricht für eine rein osmotische Diarrhö.
- Diarrhö nach potenziell verdorbener Nahrung (schlecht aufgetaute und nur gering erhitzte Tiefkühlkost, nicht abgekochtes Wasser, nicht gewaschenes Gemüse etc.) spricht für eine infektiöse Diarrhö (infektiöse Enteritis).
- Darmkrämpfe vor und während des Stuhlgangs kommen bei Entzündungen oder Stenosen vor (z. B. bei Morbus Crohn, Kolonkarzinom, Rektumkarzinom, Divertikulitis).
- Durchfälle nach bestimmten Nahrungsmitteln kommen bei Nahrungsmittelallergie vor.
- Durchfälle, die zusammen mit Zittrigkeit und/oder Herzjagen vorkommen, können durch eine Hyperthyreose bedingt sein.
- Durchfälle, die unter antibiotischer Therapie auftreten, können als eine „Antibiotika-assoziierte Diarrhö“ einzuordnen sein, wozu auch die „Pseudomembranöse Kolitis“ gehört.
- Durchfälle im Rahmen einer Reise sind meist infektiös bedingt und selbstlimitierend, können jedoch zu gefährlichem Flüssigkeits- und Elektrolytverlust führen. (6)JAMA. 2015 Jan 6;313(1):71-80. doi: 10.1001/jama.2014.17006. Siehe hier.
- Eine Clostridium-assoziierte Diarrhö deutet auf eine Abwehrschwäche (siehe hier). (7)Infect Dis Ther. 2019 Mar;8(1):87-103. doi: 10.1007/s40121-019-0231-8.
Differenzialdiagnostik
Folgende diagnostische Methoden können in Zweifelsfällen zur Klärung der Ursache einer Diarrhö beitragen:
- Stuhlkultur auf pathogene Keime: sie wird bei einer akuten Diarrhö durchgeführt. Bei einer akuten Exazerbation einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit können pathogene Darmbakterien eine akute Enteritis und zudem einen neuen Schub der Darmkrankheit auslösen.
- Virusserologie auf Enteritis-auslösende Viren (z. B. Rotaviren, Noroviren): sie wird bei einer akuten Diarrhö durchgeführt.
- Darmsonographie: sie kann Darmwandverdickungen erkennen lassen, die eher für eine chronische als für eine akute Darmerkrankung ohne chronische Vorerkrankung spricht.
- Bestimmung des Clostridientoxins insbesondere, wenn in der jüngeren Vorgeschichte eine antibiotische Therapie durchgeführt wurde (Diagnostik einer Clostridien-bedingten Enteritis)
- Koloskopie: sie lässt Entzündungen am besten erkennen (Goldstandard), wird aber bei einer wahrscheinlich infektiösen akuten Diarrhö vermieden. Vorteil der Koloskopie ist die Möglichkeit einer Gewebeprobenentnahme (Biopsie der Darmschleimhaut).
Schwer behandelbare Diarrhö
Tumorbedingte Diarrhö:
- Durchfall im Zusammenhang mit Chemotherapie, Strahlentherapie,
- neuroendokrine Tumore,
- Karzinoidsyndrom,
- VIP-produzierende Tumore (vasoaktives intestinales Polypeptid, VIPom)
Nicht krebsbedingter Durchfall:
- Kurzdarmsyndrom,
- Ileo- und Jejunostomie,
- Dumping-Syndrom,
- Graft-versus-Host Krankheit (nach Knochenmarkstransplantation)
- AIDS-bedingter Durchfall
- Enterale Tuberkulose
- Kollagene Sprue
Therapie
Dazu siehe unter den jeweiligen Diagnosen. Grundsätzlich ist auf den Ausgleich eines Salzmangels und eines Flüssigkeitsmangels zu achten. Dazu siehe hier.
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Verweise
Literatur