Lambert-Eaton-Syndrom

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Das Lambert-Eaton-Syndrom (engl.: Lambert-Eaton myasthenic syndrome, LEMS) ist eine seltene, immunvermittelte neuromuskuläre Erkrankung mit allgemeiner Muskelschwäche, die häufig als Paraneoplasie bei Tumoren, am häufigsten beim kleinzelligen Bronchialkarzinom (small cell lung carcinoma, SCLC), auftritt.

Entstehung

Beim Lambert-Eaton-Syndrom sind Autoantikörper gefunden worden, die für die Pathogenese verantwortlich sein sollen.

  • In den meisten Fällen (ca. 85 %) liegen Autoantikörper gegen Kalziumkanäle (gegen den präsynaptischen spannungsabhängigen Cav2.1-Calciumionenkanal) an den Synapsen zwischen Nerven und Muskulatur vor. Die dadurch verminderte Freisetzung von Acetylcholin (ACh) aus den Nervenenden verhindert eine normale Muskelkontraktion.
  • Häufig sind zudem solche gegen SOX1 und den M1-Typ muskarinischer Acetylcholinrezeptoren der Synapsen nachweisbar. 1

SOX1-Antikörper lassen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf ein zugrunde liegendes kleinzelliges Bronchialkarzinom schließen. 2 3

Die durch Antikörper bedingte Hemmung der Freisetzung von Acetylcholin an den Synapsen führt zu einer motorischen Funktionsstörung. Dies erklärt die beim Lambert-Eaton-Syndrom zu beobachtende Schwäche der Skelettmuskulatur (s. u.).

Symptomatik

Das Lambert-Eaton-Syndrom tritt selten vor dem 30. Lebensjahr auf. Im Vordergrund stehen trockener Mund, Verstopfung (Obstipation), Ptosis der Augenlider, Areflexie, Ataxie (selten liegt eine cerebelläre Degeneration vor) und zunehmende Schwäche der stammnahen Muskulatur mit Gangstörungen.

Eine zerebelläre Ataxie, die als ein negativer Romberg-Test und mindestens ein weiterer positiver Ataxie-Test definiert wird, wurde in einer Langzeitbeobachtung bei 56,6% der Patienten beobachtet 4.

Diagnostik

Die LEMS-Diagnose beruht auf dem klinischen Bild einer proximalen Muskelschwäche und dem Fehlen von Sehnenreflexen. Zudem gibt es Anzeichen einer autonomen Dysfunktion mit Fehlfunktionen des Magendarmtrakts. Beweisend sind immunologische Tests (Anti-VGCC-Antikörper-Assay) und elektrophysiologischen Studien (Nachweis eines präsynaptischen Defekts der neuromuskulären Übertragung). 5

Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die Myasthenia gravis. Sie ist eine postsynaptische Störung der Erregungsübertragung auf den Muskel. Bei ihr sind Anti-Acetylcholinrezeptor-Antikörper (AchR-Antikörper) mit hoher Sensitivität bis zu 95 % und einer Spezifität von praktisch 100% positiv. Sie fehlen beim Lambert-Eaton-Syndrom.

Bei Lambert-Eaton-Syndrom (LEMS) sind dagegen Auto-AK gegen Kalziumkanäle (VGCC) in 80 – 90 % positiv.

Wenn ein LEMS nachgewiesen ist, wird eine Tumorsuche notwendig (siehe hier). Es gibt jedoch auch eine Form, die als reine, nicht tumorassoziierte Autoimmunkrankheit gilt.

Therapie

Das nicht tumorassoziierte LEMS ist schwierig zu behandeln. Am effektivsten haben sich Aminopyridine erwiesen. Sie verstärken die Freisetzung von ACh an den Synapsen (durch Blockade der spannungsaktivierte K + -Kanäle) und verbessern so die neuromuskuläre Übertragung. Die Substanz 3,4-Diaminopyridinphosphat (3,4-DAPP) hat den Vorteil, dass sie kaum in das Gehirn eindringt und daher zu nur wenigen neurologischen Nebenwirkungen (speziell Krampfanfällen) führt. Es ist als Medikament für seltene Erkrankungen („Firdapse“) erhältlich. 5

Die Wirksamkeit von Amifampridin, einer Kombination von 3,4-DAP und 3,4-Diaminopyridin-Phosphat [3,4-dapp] hat sich zur symptomatischen Behandlung in LEMS laut mehrerer Studien am besten bewährt. Es gilt als eine sichere Medikation, solange die Tagesdosis weniger als 80 mg pro Tag für erwachsene und weniger als 30 mg pro Tag für pädiatrische LEMS-Patienten beträgt. Amifampridin kann mit Pyridostigmin für den Langzeitgebrauch ergänzt werden. Die meisten Patienten werden weniger symptomatisch oder verschlechtern sich nicht 6.

Eine Langzeitstudie ergab folgende Ergebnisse: Von 96 auswertbaren Teilnehmern wurden 50 (52,1 %) mit 3,4-DAPP, 21 (21,9 %) mit 3,4-Diaminopyridin (3,4-DAP) und 25 (26,0 %) mit anderen Medikamenten (z. B. Pyridostigmin, Kortikosteroide, Immunglobuline und Azathioprin) behandelt; 74 Teilnehmer (77,1%) wurden ständig mit 3,4-DAPP behandelt. Teilnehmer unter 3,4-DAPP-Therapie verschlechterten sich nicht, einige verbesserten sich. Rückschritte waren sporadisch. Insgesamt wurden nach der Langzeitbehandlung von LEMS mit 3,4-DAPP keine neuen Komplikationstypen beobachtet. 4

Die Therapie des tumorassoziierten Lambert-Eaton-Syndroms besteht zudem in der Chemotherapie des zugrunde liegenden Tumors. Bei mangelhaftem Ansprechen kann in vielen Fällen laut Studienergebnissen eine symptomatische Besserung durch den Kalium-Kanal-Blocker 3,4-Diaminopyridin (3,4-DAP) (s. o.) erwartet werden. 7 Auch intravenöse Applikationen von Immunglobulinen erhöhen die Muskelkraft. 8


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Verweise

Referenzen

  1. Brain Nerve. 2010 Apr;62(4):419-26[]
  2. Clin Oncol. 2009 Sep 10;27(26):4260-7[]
  3. Neurology. 2008 Mar 18;70(12):924-8[]
  4. Neurol Ther. 2022 Sep;11(3):1071-1083. doi: 10.1007/s40120-022-00354-8[][]
  5. Medicine (Baltimore). 2017 Sep;96(38):e7839. doi: 10.1097/MD.0000000000007839.[][]
  6. J Clin Neurol. 2024 Jul;20(4):353-361. doi: 10.3988/jcn.2024.0018[]
  7. Curr Med Res Opin. 2010 Jun;26(6):1363-75[]
  8. Cochrane Database Syst Rev. 2005 Apr 18;(2):CD003279[]