Allgemeines
Bei der Angina abdominalis handelt es sich um immer wieder auftretende (intermittierende) Bauchschmerzen, die durch eine Mangeldurchblutung ausgelöst werden. Sie wird auch als mesenteriale Ischämie (engl.: mesenteric ischemia) oder Ortnersche Erkrankung (Claudicatio abdominalis) bezeichnet. Der zunächst postprandiale (nach einer Mahlzeit auftretende) Schmerz geht bei Fortschreiten der Krankheit in einen chronischen Dauerschmerz über. Wenn er länger als 3 Monate besteht, wird er als chronische mesenteriale Ischämie eingeordnet.
Ischämie-bedingte Bauchschmerzen können mit Durchfällen einhergehen und – vor allem bei einer Chronifizierung – zu einer Gewichtsabnahme führen.
Die Behandlung zielt auf eine Verbesserung der Blutversorgung hin und beinhaltet bei geeigneter Lage der Gefäßverengung eine endovaskuläre Behandlung durch Angioplastie und eine Stenteinlage.
Die Pathophysiologie (Krankheitsentstehung) und Symptomatik entspricht im Wesentlichen der einer Claudikatio intermittens (Schaufensterkrankheit) und der von chronischen Ischämieschmerzen der Beine bei einer stenosierenden Arteriosklerose der Beinarterien (periphere arterielle Verschlusskrankheit).
→ Der Darm
→ Periphere arterielle Verschlusskrankheit
Entstehung
Arteriosklerose
Ursache ist am häufigsten eine Verengung (Stenose) der den Darmkanal versorgenden großen Blutgefäße, meistens bedingt durch eine Arteriosklerose der Arteria mesenterica superior (Hauptzufuhr des Bluts für den Dünndarm und den rechten und mittleren Dickdarmabschnitt).
Eine Verengung durch einen arteriosklerotischen Plaque führt zu einer schmerzhaften Darmischämie, die besonders dann kritisch wird, wenn die Verdauung und die Darmmotilität durch eine Mahlzeit angeregt werden. Die Bauchschmerzen entstehen daher zunächst vor allem bei einer hohen Blutanforderung, wie sie nach Mahlzeiten (postprandial) eintritt. 1
Solange das Bauchfell (Peritoneum) infolge des Sauerstoffmangels gereizt ist, handelt es sich um einen „viszeralen“ Schmerz, bei dem keine Abwehrspannung der Bauchdecke eintritt. Wird die gesamte Darmwand und das Bauchfell undicht, und treten Bakterien und ihre Giftstoffe (Toxine) aus, so kommt es zu einer lokalen und schließlich allgemeinen Bauchfellentzündung (Peritonitis), die eine schmerzhafte Abwehrspannung der Bauchmuskulatur hervorruft.
Smal Vessel Disease
Eine Angina abdominalis kann in seltenen Fällen durch Verengungen kleiner und kleinster arterieller Äste entstehen. Ursachen können ein fibromuskuläre Dysplasie oder fibromuskuläre Hyperplasie sein. Sie können vor allem mittelgroße und kleine Arterien betreffen und finden sich am häufigsten an den Nierengefäßen und Halsschlagadern, aber auch an Wirbel-, Becken-, Schlüsselbein- oder Mesenterial-, Leber-, Milzarterien 2.
Prädispositionen
Die Angina abdominalis tritt meist im Rahmen einer allgemeinen arteriellen Verschlusskrankheit auf. Häufige Vorbedingungen (Prädispositionen) sind folgende:
- Fettstoffwechselstörung z. B. im Rahmen eines Diabetes mellitus oder von Übergewicht bzw. Adipositas,
- Rauchen und
- Bluthochdruck.
Diagnostik
- Anamnese: Typischerweise werden Beschwerden unter Bedingungen geklagt, in denen die Blutzufuhr zum Darmkanal erhöht ist, nämlich in kurzem Abstand nach Mahlzeiten. In Ruhebedingungen dagegen reicht die Durchblutung zunächst noch aus. In fortgeschrittenem Stadium kommt es zu einer chronischen Darmischämie und einem Dauerschmerz. Die Diagnostik sollte bereits bei einer intermittierenden Schmerzsymptomatik soweit vorwärts getrieben werden, dass ggf. eine Indikation zu einer endovaskulären Therapie (durch Kathetertechnik) gestellt und durchgeführt werden kann.
- Körperliche Untersuchung: typischerweise fehlt eine Abwehrspannung der Bauchdecke; Darmgeräusche sind vorhanden, können aber unter Ischämiebedingungen spärlich werden.
- Sonographie: die Duplexsonographie kann (wenn die Sicht nicht durch Blähungen verhindert ist) im proximalen Bereich der A. mesenterica superior eine Einengung mit Strömungsbeschleunigung nachweisen.
- Angiographie: Nachweis der wirksamen Stenose; im geeigneten Fall Möglichkeit einer Therapie durch Ballonerweiterung und Stentimplantation.
- Computertomographie und MRT: Nachweis einer Gefäßverengung oder einer Verkalkung und Plaquebildung.
Meist bestehen auch in anderen Organen arteriosklerotische Minderdurchblutungen, insbesondere am Herzen, dem Gehirn, den Nieren und den Beinen. Daher ist eine erweiterte Diagnostik des Blutgefäßsystems indiziert.
Therapie
Verengung großer arterieller Gefäße: Die Behandlung beinhaltet folgende Maßnahmen:
- Schmerzbekämpfung, Schmerzmittel.
- Bei proximalen Stenosen (Verengung einer zuführenden Arterie nahe ihrem Abgang aus der Aorta) ist eine interventionelle Therapie durch Angiographie mit Angioplastie (Erweiterung des Lumens durch Ballondilatation) und Stentimplantation eine erste Option, alternativ eine operative Behandlung. Die Einlage eines Röhrchens (Stent) zum Offenhalten einer erweiterten Stelle im Blutgefäß hat in geeigneten Fällen eine hohe Erfolgsrate 3 4 5 6.
- Korrektur der Fettstoffwechselstörung und Blutdruckeinstellung.
- Kleine (!) Mahlzeiten mehrfach über den Tag verteilt helfen einen stärkeren Blutbedarf im Darm zu vermeiden.
Smal Vessel Disease: Eine Angina abdominalis, die auf Verengungen kathetertechnisch nicht erreichbarer kleinerer Arterien und Arteriolen beruht, kann nur medikamentös behandelt werden. Je nach Bedingung kommen eine konservative Behandlung der Grundkrankheit, beispielsweise eines Antiphospholipid-Syndroms, und eine lebenslange Behandlung mit oralen Antikoagulanzien in Betracht 2.
Eine Mesenterialvenenthrombose, die ähnliche Symptome hervorrufen kann, wie eine arterielle Durchblutungsstörung, wird mit systemischer Antikoagulation ohne chirurgische Revaskularisation behandelt. 5 (siehe hier.)
Eine durch Kathetertechnick nicht behebbare akute mesenteriale Ischämie sowie ein ischämischer Mesenterialinfarkt bedeutet meistens eine Operationsindikation.
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Verweise
Weiteres
- Vasa. 2000 May;29(2):141-5. German. DOI: 10.1024/0301-1526.29.2.141.[↩]
- Chir Ital. 2009 Sep-Dec;61(5-6):659-65. PMID: 20380275[↩][↩]
- Vasa. 2012 Nov;41(6):425-31. DOI: 10.1024/0301-1526/a000232[↩]
- Eur J Vasc Endovasc Surg. 2017 Apr;53(4):460-510. DOI: 10.1016/j.ejvs.2017.01.010.[↩]
- Vasc Endovascular Surg. 2019 Jan;53(1):42-50. DOI: 10.1177/1538574418805228[↩][↩]
- BMC Surg. 2022 Feb 13;22(1):56. DOI: 10.1186/s12893-022-01511-4[↩]