Die Behandlung des Typ-1-Diabetes (T1D) basiert auf einer Insulinzufuhr, die situationsgerecht zu erfolgen hat und eine hohe Compliance erfordert. Sie ist bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen herausfordernd, da ihre Folgsamkeit bzgl. den Therapieanforderungen (Compliance) gefördert und über die schwierige Phase der Pubertät hinüber gewährleistet werden muss. In der Phase, in der die Kinder und Jugendlichen eigenständig werden, entstehen Stoffwechselentgleisungen am häufigsten. Eine psychosoziale Begleitung kann helfen, die Compliance aufrechtzuerhalten. Die Familie und ggf. auch Freunde sollten einbezogen werden 1. Eine gute Stoffwechselseinstellung kann eine normale Lebenserwartung gewährleisten. Der T1D sollte am besten nicht mit dem Begriff „Krankheit“ belegt werden, denn das Therapieziel ist ein krankheitsfreies Leben. Die Betroffenen sollten aber wissen, dass eine unzureichende Einstellung diabetische Komplikationen und Folgekrankheiten fördert.
→ Typ-1-Diabetes, Grundlagen
→ Behandlung des Typ-2-Diabetes
Insulin-Substitution
Die Basis der Therapie des Typ-1-Diabetes ist – neben einem gesunden Lebensstil – die Insulin-Substitution. Heute erfolgt sie durch Insulinpumpen. Wesentlicher Nachteil einer Insulintherapie ist jedoch, dass das von außen zugeführte Insulin nicht, wie das in der Bauchspeicheldrüse produzierte Insulin, in die Leber gelangt. Es vermag daher nicht, den Zuckerhaushalt in gleicher Weise zu regulieren. Die Zuckerkontrolle im Blut ist daher weniger stabil. 2
Closed-Loop-System: Da kleine Kinder noch nicht selbst auf Veränderungen des Blutzuckers (BZ) reagieren können, liegen die Hoffnungen auf einem „Closed-Loop-System“. Dabei werden Messergebnisse eines Sensors an einen externen Regler gesendet, der automatisch Korrekturbefehle an einen Insulininjektor sendet. In einer Studie an 74 Kindern im Alter von 1 – 7 Jahren wurde festgestellt, dass solch ein System im Vergleich mit einem offenen sensorunterstützten System Vorteile hat. Die Phasen einer Normoglykämie (normaler BZ) waren im Mittel 8,7 % länger, und diejenigen einer Hyperglykämie (zu hohe BZ-Werte) um 8,5 % kürzer. Unterzuckerungen (Hypoglykämien) traten nicht signifikant häufiger auf. 3
→ Zur Insulintherapie siehe hier.
Perspektiven
Künstliches Pankreas: Die Tendenz geht zum künstlichen Pankreas mit „closed-loop-control“, bei der ein Blutzuckersensor mit einer Insulinpumpe in einem lernenden Regelkreis miteinander verbunden ist. 4 5 Es wird auch ein Erfolg der automatischen Infusion von Insulin und Glukose bei der Behandlung einer Ketoazidose bei fulminantem T1D-Beginn berichtet 6.
Zell-basierte Therapie: Einige Zell-basierte Therapieansätze (z. B. Inselzell-Transplantation) werden inzwischen in Studien geprüft. Sie kommen für späte Stadien infrage, in denen die ß-Zellfunktion ausgefallen ist, und haben gezeigt, dass eine Verbesserung der Stoffwechsellage möglich ist 7 8 9.
Unterdrückung der Immunreaktion: Zwei Publikationen zeigen, dass sich die Insulinbildung länger aufrechterhalten lässt, wenn man das Immunsystem an entscheidenden Stellen hemmt. In einem Fall gelang dies durch Teplizumab, einem Antikörper gegen CD3 (ein Oberflächenprotein, das an der Aktivierung sowohl der zytotoxischen T-Zellen als auch der T-Helferzellen beteiligt ist). 10. Teplizumab wurde in den USA zur Verzögerung des Auftretens von T1D im Stadium 3 bei Erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab 8 Jahren mit zugelassen 11. In einem anderen Fall gelang die Unterdrückung der Immunreaktion durch den JAK-Hemmer Baricitinib. Die mittlere tägliche Insulindosis nach 48 Wochen betrug in der Baricitinib-Gruppe 0,41 U pro Kilogramm Körpergewicht und Tag und in der Placebogruppe 0,52 U pro Kilogramm und Tag. Die Behandlungen wurden jeweils relativ gut vertragen. In einzelnen Fällen trat ein beherrschbares Cytokin-Release-Syndrom auf 12.
Mesenchymale Stammzelltransplantation: Die autoimmunologische ß-Zellzerstörung kann durch eine Änderung der Reaktivität des Immunsystems unterbrochen werden. Die Transplantation mesenchymaler Stammzellen (MSCs) wird als eine aussichtsreiche Option betrachtet. Wirksam ist dabei eine tiefgreifende Immunmodulation mit dem Effekt auf eine Regeneration und Migration in geschädigtem Gewebe. MSCs haben im Vergleich zu anderen Zell-basierten Therapien (pluripotenten oder embryonalen Stammzellen) ein überlegenes Sicherheitsprofil und ein vernachlässigbares Tumorrisiko. Zudem weisen sie keine Immunogenität aufgrund des Fehlens des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC) der Klasse II auf. In einer Studie wurde gezeigt, dass sie sich zu insulinbildenden Zellen umwandeln können und den Zuckerstoffwechsel günstig beeinflussen. Eine frühe Transplantation von MSCs verbesserte die Serum-Spiegel von HbA1c und C-Peptid deutlich. Zudem wurde ein Shift von proinflammatorischen auf entzündungshemmende Zytokine festgestellt 13. Mehrere Studien bestätigen den positiven Effekt. Größere, hochwertige Studien werden erwartet. 14
Gentherapie: Eine Forschungsrichtung betrifft die Gentherapie des Typ-1-Diabetes, die im Tiermodell bereits erfolgversprechend gezeigt werden konnte. 15 16
Impfung: Unter der Vorstellung, dass Viren (insbesondere Enteroviren, wie Coxsackieviren, und Sars-CoV-2) eine autoimmune Reaktion gegen ß-Zellen des Pankreas und damit einen Typ-1-Diabetes auslösen können, sind Ideen entstanden, Impfstoffe gegen diabetogene Viren zu entwickeln. 17 18
→ Zur Insulin-Therapie siehe hier.
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Verweise
Referenzen
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- N Engl J Med. 2019 Oct 31;381(18):1707-1717. doi: 10.1056/NEJMoa1907863. Epub 2019 Oct 16. PMID: 31618560; PMCID: PMC7076915.[↩]
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