Hypoglykämie bedeutet Unterzuckerung. Die Konzentration von Glukose (Traubenzucker) im Blut unterschreitet einen festgelegten unteren Grenzwert. Eine Hypoglykämie führt zu einer Funktionsstörung oder gar Schädigung vor allem des Gehirns, welches von Glukose als Energielieferant abhängig ist.
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Definition
Der Blutzucker-Normbereich liegt zwischen (nüchtern) 3,9 und 5,5 mmol/l, entsprechend 70 und 99 mg/dl. Demnach entsprechen Blutzuckerwerte unter 3,9mmol/l (70 mg/dl) einer Hypoglykämie. Schwerwiegende klinische Symptome treten jedoch erst bei deutlich tieferen Werten (meist unter 55 mg/dl) auf. In der Praxis werden häufig Werte unter 65 mg/dl als Hypoglykämie mit diagnostischer und therapeutischer Konsequenz angesehen.
Pathophysiologie
Da Glukose die wichtigste Energiequelle für die Körperzellen und die einzige für das Gehirn darstellt, ist eine Hypoglykämie mit schwerwiegenden Funktionsstörungen verbunden.
Gegenregulation des Körpers: Zur Gegenregulation einer Hypoglykämie werden eine Reihe von Hormonen vermehrt ausgeschüttet: Adrenalin (mit entsprechenden Symptomen (s. u.), Glukagon, Glukokortikoide und Wachstumshormon (STH, somatotropes Hormon). Die Gegenregulation springt an, wenn ein Blutzuckerspiegel von etwa 55 mg/dl unterschritten wird.
Begleitende Hypokaliämie: Wenn eine Hypoglykämie als Folge eines erhöhten Insulinspiegels oder einer Insulin-Überdosierung zustande kommt, findet man oft eine Hypokaliämie. Denn der einer Hypoglykämie vorangegangene Zuckereinstrom aus dem Blut in die Zellen wird von einer zellulären Kaliumaufnahme begleitet. Eine Erniedrigung des Kaliumspiegels im Blut kann zu schwerwiegenden Herzrhythmusstörungen führen.
Unterzuckerungen bei der Zuckerkrankheit: Bei einem Diabetes mellitus können paradoxerweise eine hypoglykämische Phasen auftreten. Sie treten insbesondere morgendlich auf und können verschiedene Ursachen haben. Am häufigsten handelt es sich um ein Dawn-Phänomen, seltener um einen Somogyi-Effekt. Ansonsten ist eine Unterzuckerung durch eine Übertherapie bedingt.
Symptome
Zu den Symptomen einer Hypoglykämie gehören
- Fehlfunktionen des Gehirns (Enzephalopathie) verschiedenen Ausmaßes von Aufmerksamkeitsstörungen und geistigen Fehlfunktionen (z. B. Rechenstörungen), Schwindel über schwerere Hirnfunktionsstörungen (u.a. auch unter dem Bild einer schizoiden Reaktionsweise) bis hin zu zerebralen Krämpfen und zur Bewusstlosigkeit. Das Bild ist individuell sehr variabel. Bei neu und akut aufgetretenen neurologischen und psychiatrischen Symptomen sollte daher immer der Blutzuckerspiegel mitbestimmt werden.
- Tachykardie, Schwitzen, Erhöhung des Blutdrucks (Hypertonie) als Ausdruck einer adrenergen Gegenregulationen mit Ausschüttung von Adrenalin,
- Herzrhythmusstörungen: bei einer Hypoglykämie sollte immer auf die Möglichkeit einer begleitenden Hypokaliämie geachtet werden, die zu schwerwiegenden Herzrhythmusstörungen führen kann.
- Hypoglykämischer Schock: Eine ausgeprägte Hypoglykämie aufgrund einer Überdosierung von Insulin oder eines Insulinoms führt zum bedrohlichen hypoglykämischen Schock mit adrenerger Gegenregulation: Bewusstlosigkeit plus Tachykardie plus Schwitzen plus harte Augenbulbi (siehe hier).
Wahrnehmungsstörung für eine Unterzuckerung
Ein nicht zu seltenes Problem ist die fehlende Empfindung für eine sich anbahnende Hypoglykämie. Sie tritt insbesondere bei Typ-1-Diabetes wegen reduzierter Gegenregulationsmechanismen auf (bei 25%!). Die Entstehung ist noch nicht völlig geklärt. Patienten mit einer solchen Wahrnehmungsstörung sind bezüglich einer schweren Hypoglykämie hoch gefährdet. (1)Neth J Med. 2006 Sep;64(8):269-79. PMID: 16990690. Sie kann durch eine strikte Vermeidung von Unterzuckerungen über mindestens 3 Wochen rückgängig gemacht werden. (2)Neth J Med. 2006 Sep;64(8):269-79. PMID: 16990690 (3)Diabetes Obes Metab. 2021 Nov;23(11):2582-2589. DOI: 10.1111/dom.14505
Ursachen
Es gibt eine Reihe von Ursachen für eine Hypoglykämie. Die wichtigsten Beispiele sind:
- inadäquate Insulineinstellung bzw. Therapiekomplikation beim Diabetes mellitus (z. B. Überdosierung von Insulin, zu geringe Nahrungsaufnahme bei Fortführung einer Insulintherapie oder unter oralen Antidiabetika wie Glibenclamid),
- Dawn-Phänomen,
- Somogyi-Effekt,
- Insulinom,
- bei sonst Gesunden kann es bei mangelnder Glykogenreserve und starker Belastung vorübergehend zu Unterzuckerung kommen,
- hereditäre Fruktoseintoleranz.
Therapie
Die Behandlung einer Hypoglykämie erfolgt durch orale Gabe von Traubenzucker (Glukose). Normaler Haushaltszucker (Zweifachzucker aus Glukose und Fruktose) ist ebenfalls geeignet, wenn kein Traubenzucker zur Verfügung steht, wirkt jedoch langsamer. Bei schwerer Symptomatik wird Glukose intravenös verabreicht. Eine Glukosezufuhr und die daraufhin erfolgende Zuckeraufnahme in die Zellen hat auch eine zelluläre Aufnahme von Kalium aus dem Blut zur Folge, was zu einer gefährlichen Hypokaliämie führen kann. Der Blutzuckerausgleich sollte daher unter Kontrolle des Serumkaliums erfolgen; es muss auf eine ausreichende Kaliumzufuhr geachtet werden. Bestehen zu Hause keine Möglichkeiten zur Kaliumkontrolle, so kann über kaliumreiches Obst (Bananen, Aprikosen etc.) eine Kaliumsubstitution relativ schonend erreicht werden.
Verweise
Literatur