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Allgemeines
Pfeiffersches Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose, Mononucleosis infectiosa) ist eine Viruserkrankung, die sich durch intimen Körperkontakt ausbreitet und eine typische Krankheit der Jugendlichen ist (Kusskrankheit). Ausgelöst wird es durch das Epstein-Barr-Virus (EBV), welches je nach Reaktionslage des Körpers eine mehr oder weniger ausgeprägte Krankheitsreaktion auslöst. Das Pfeiffersche Drüsenfieber verläuft meist gutartig und heilt aus; selten gibt es protrahierte Verläufe und Komplikationen. Eine ursächliche Therapie gibt es nicht; die Behandlung ist symptomatisch. (1)Am Fam Physician. 2015 Mar 15;91(6):372-6. (2)Curr Top Microbiol Immunol. 2015;390(Pt 1):211-40. doi: 10.1007/978-3-319-22822-8_9.
Entstehung
Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ist ein doppelsträngiges DNA-Virus der Herpes-Gruppe (humanes Herpesvirus Typ 4, HHV4), welches sich in Epithelzellen des Mund-Nase-Bereichs (im Bereich des Waldeyer’schen Rachenrings) zuerst ansiedelt. Es wird von B-Lymphozyten aufgenommen. Ein Hauptrezeptor ist CD21 (cluster of differentiation 21). In ihnen ruft es eine Immunreaktion hervor, die über spezifische Antikörper im Blut nachweisbar ist. Die DNA der Viren können lebenslang in Gedächtnis-Lymphozyten des Knochenmarks nachgewiesen werden. Wie andere DNA-Viren inkorporieren sie sich in die zelleigene DNA, was eine maligne Transformation fördern kann. (3)J. Virol. 96 (5), e0194121. doi: 10.1128/jvi.01941-21
Infektion
Meist wird das EBV über den Speichel (z. B. beim Küssen, Kusskrankheit) übertragen. Die Inkubationszeit beträgt 7 – 30 Tage, selten länger. Die erste Infektion betrifft daher die Mundschleimhaut. Wenn die Erkrankung klinisch überwunden ist, kann das EBV weiterhin sporadisch über den Speichel ausgeschieden werden. Über die Eltern erfolgt daher meist schon bei Kindern die Erstinfektion. Eine zweite Phase erhöhter Infektionsgefahr ist die Adoleszenz mit vermehrtem ersten Kusskontakt.
Symptomatik
Verlauf
Eine EBV-Infektion kann symptomlos und unerkannt ablaufen (4)J Virol. 2017 Nov 1; 91(21): e00382-17. doi: 10.1128/JVI.00382-17. In einigen Fällen jedoch entsteht ein kräftezehrendes lang andauerndes Krankheitsbild kommt es nach einer Inkubationszeit von 7 bis 30 Tage, manchmal 1 bis 2 Monaten zu unspezifischen Krankheitssymptomen unterschiedliche Ausprägung. Es treten Abgeschlagenheit, Fieber, Schluckbeschwerden auf.
Den Schluckbeschwerden zugrunde liegen eine exsudative (nicht eitrige) Halsentzündung und eine Entzündung der Rachenmandeln, verbunden mit einer Vergrößerung der regionären Lymphknoten (submandibulär und am Hals). Die Lymphknotenschwellungen können extrem groß sein und an ein malignes Lymphom erinnern. Manchmal kommt es zu schweren Komplikationen (s. u.). Die Kombination von Fieber und Lymphknotenschwellung hat nach dem Kinderarzt Emil Pfeiffer zur Bezeichnung „Pfeiffersches Drüsenfieber“ geführt. Nach 2 bis 3 Wochen ist meistens die Kulmination erreicht, anschließend nehmen die Symptome ab. Zwischen Symptomlosigkeit und schwerem Verlauf alle möglichen Übergänge.
Komplikationen
Das Pfeiffersche Drüsenfieber verläuft in seltenen Fällen mit schweren Komplikationen.
- Leber- und Milzvergrößerung: Bei schweren Verlaufsformen kommt es zu einer generalisierten lymphatischen Reaktion und eine Leber- und Milzvergrößerung (Hepatosplenomegalie). Die Lebervergrößerung ist Zeichen einer EBV-Hepatitis, die lange persistieren und in deren Rahmen es zu einem lang anhaltenden Ikterus (Gelbsucht) kommen kann. Die Milzvergrößerung (Splenomegalie) ist meist nur sonographisch nachweisbar, kann aber auch so ausgeprägt werden, dass die Gefahr einer Milzruptur mit einer akuten intraabdominellen Blutung erhöht ist. Auch sie ist nur langsam rückläufig und kann oft monate- oder jahrelang nachweisbar sein.
- Neurologische Symptome: Bei Befall des peripheren und zentralen Nervensystems kann es zu schwerwiegenden neurologischen Symptomen kommen:
- Eine EBV-Enzephalitis kann zu Hirndruck, Psychosen und epileptischen Anfällen führen. Es sind Fälle eines Guillain-Barre-Syndroms (aufsteigende Lähmung bei demyelinisierender Polyneuropathie) mit Atemlähmung beschrieben. (5)Ann Transplant. 2012 Sep 26;17(3):133-7
- Eine EBV-Meningitis kann schmerzhaftem Meningismus, Lichtscheu, Hyperakusis und zur geistigen Eintrübung (Somnolenz) führen.
- Eine periphere Neuropathie kann Missempfindungen an den Armen und Beinen hervorrufen.
- Maligne Erkrankungen: Sehr selten kann eine EBV-Infektion die Entwicklung von Lymphomen (z. B. B-Zell-Lymphome (6)Int J Cancer. 2012 Sep 24. doi: 10.1002/ijc.27858, Burkitt-Lymphom bei Malaria-Koinfektion (7)Semin Cancer Biol. 2009 Dec;19(6):411-20und einer Erythroleukämie triggern. Eine Vorgeschichte einer EBV-Infektion bedeutet ein deutlich erhöhtes Risiko für ein Hodgkin-Lymphom; es entsteht im Mittel 4,1 Jahre danach. (8)N Engl J Med. 2003 Oct 2;349(14):1324-32.
- Multiple Sklerose (MS): Sie ist mit einer EBV-Infektion assoziiert und kann wahrscheinlich als seltene Spätkomplikation des Pfeifferschen Drüsenfiebers aufgefasst werden, wobei höhere Antikörpertiter zur MS prädisponieren sollen. (9)J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2011 Oct;82(10):1142-8 (Siehe hier.)
Labordiagnostik
Beim Pfeifferschen Drüsenfieber besteht eine ausgeprägte Leukozytose mit Überwiegen der mononukleären Zellen (Lymphozyten und Monozyten), was die Bezeichnung „infektiöse Mononukleose“ bedingt. Im Zusammenhang mit der Pharyngitis wird wegen der überwiegenden mononukleären Zellen auch von “Monozytenangina“ gesprochen.
Bei den Laboruntersuchungen kann eine Granulozytopenie, Thrombozytopenie und eine hämolytische Anämie (LDH erhöht, Retikulozyten erhöht, freies Haptoglobin erniedrigt) imponieren. Diese Befunde sind i. d. R. im Verlauf rückläufig.
Die EBV-Infektion als Ursache der Pfeifferschen Drüsenfiebers lässt sich durch Nachweis spezifischer Antikörper sichern: Paul-Bunnell-Reaktion: Nachweis heterophiler Antikörper, Nachweis des Early-Antigens (IgM-Antikörper) und von IgM-Antikörpern gegen das Virus-Capsid.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen des Pfeifferschen Drüsenfiebers kommen andere Virusinfektionen, insbesondere eine akute CMV-Infektion oder – bei entsprechend Gefährdeten – eine HIV-Infektion sowie eine Pharyngitis bakterieller Genese (z. B. ausgelöst durch ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A) in Betracht. Bei starken Lymphknotenvergrößerungen ist auch an ein malignes Lymphom zu denken.
Therapie
Eine spezifische antivirale Therapie ist nicht verfügbar. Die Behandlung des Pfeifferschen Drüsenfiebers ist rein symptomatisch und besteht hauptsächlich aus Fiebersenkung und Mundpflege. Ist eine bakterielle Superinfektion nicht auszuschließen, sollte antibiotisch abgeschirmt werden. Dabei sollte auf Penicilline (Ampicillin, Amoxicillin) verzichtet werden, da ein deutlich erhöhtes Risiko einer exanthematischen Hautreaktion mit Rötung und Juckreiz (Ampicillinexanthem) besteht. Nach Absetzen entwickelt es sich nach wenigen Tagen zurück.
Prophylaxe
Das Pfeifersche Drüsenfieber tritt in der Regel nur einmal auf. Es hinterlässt eine Immunität, obwohl in Abständen immer wieder infektiöse Viruspartikel im Speichel erscheinen. Die beste Prophylaxe ist die Vermeidung eines intimen Kontakts zu Personen, die frisch infiziert sind oder in den letzten Wochen ein Pfeiffersches Drüsenfieber durchgemacht haben. Eine Vaccine (Impfsubstanz) wird (Stand 2021) entwickelt. (10)Front Immunol. 2021 Oct 8;12:734471. DOI: 10.3389/fimmu.2021.734471. PMID: 34691042; PMCID: … Continue reading
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Verweise
Literatur