Der Morbus Crohn (Crohn Krankheit, engl.: Crohn’s disease) ist eine chronische entzündliche Darmkrankheit, die sich heute wegen erheblicher Fortschritte deutlich besser als früher behandlen lässt.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste verständlich
Kurzgefasst |
Der Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Darms, die sich meist im untersten Teil des Dünndarms, dem terminalen Ileum, prinzipiell aber im gesamten Magendarmtrakt ausbreiten kann. Er verläuft meist schubartig und neigt zu intestinalen (im Magendarmtrakt gelegenen) und extraintestinalen (nicht im Magendarmtrakt gelegenen) Komplikationen. Es handelt sich um eine immunvermittelte Krankheit, bei deren Entwicklung eine veränderte bakterielle Zusammensetzung der Darmflora (Mikrobiom des Darms) und eine unzureichende Abwehr pathogener (krank machender) Darmbakterien durch das Immunsystem die entscheidende Rolle spielen. Ursache: Die Krankheit entwickelt sich bei genetisch anfälligen Personen aufgrund einer abnormen Entzündungsreaktion in der Darmschleimhaut. Es wurden Gene entdeckt, welche die Abwehr von Bakterien in der Darmwand schwächen. Solche Gene finden sich auch bei Familienmitgliedern, die ebenfalls an einer chronischen Darmkrankheit oder einer Autoimmunkrankheit leiden. Unter den verantwortlichen Genen sind auch solche, die die Barrierefunktion der Schleimhäute schwächen, so dass Bakterien leichter eindringen können. (1)Nat Genet. 2015;47:979–986. Klinische Erscheinung und Verlauf: Die Erkrankung verläuft meist schubartig. Charakteristisch sind fleckförmig sich ausbreitende entzündliche Verdickungen in der Darmwand, die am häufigsten im untersten Teil des Dünndarms, dem terminalen Ileum, aber prinzipiell im gesamten Magendarmkanal auftreten können. Die Entzündung kann zur Verengung und zu krampfartigen Bauchschmerzen führen. Eine der gefürchtetsten Komplikationen ist der Darmverschluss (Ileus). Komplikationen der Darmkrankheit können auch außerhalb des Darms auftreten, so z. B. an Gelenken, der Leber, den Augen oder der Haut. Diagnostik: Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung bessert die Prognose erheblich. Die Diagnostik beinhaltet Laborwerte (Entzündungsparameter) und bildgebende Untersuchungen (Darmsonographie, MR-Sellink, Gastroskopie, Koloskopie jeweils mit Biopsien zur histologischen Untersuchung. Eine Kapselendoskopie gibt über einen eventuellen Dünndarmbefall Auskunft. Die Behandlung richtet sich gegen überschießende entzündliche Reaktionen. Zu den neuen und wirkungsvollen Medikamenten gehören Antikörper gegen Entzündungsfaktoren (siehe hier). Neue Erkenntnisse betreffen das veränderte Darmmikrobiom, insbesondere bestimmte Bakterien, die als Auslöser des Morbus Crohn wahrscheinlich geworden sind. Von ihrer Behandlung verspricht man sich einen therapeutischen Durchbruch (siehe hier). (2)JAMA. 2021 Jan 5;325(1):69-80. doi: 10.1001/jama.2020.18936 Siehe auch: |
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Erstbeschreibung
Die Erstbeschreibung erfolgte 1932 von Crohn, Ginzburg und Oppenheimer als “Ileitis terminalis”. Dieser Begriff gilt noch heute als Synonym für die Erkrankung, auch wenn prinzipiell alle Abschnitte des Magendarmkanals befallen und auch andere Organe einbezogen sein können.
Zuvor allerdings wurde bereits von T.K. Dalziel (3)Br J Med (1913) 2:2756, einem Schottischen Chirurgen, eine “chronische intestinale Enteritis” beschrieben. Sie entsprach dem späteren Morbus Crohn. Und in der Veterinärmedizin wurde bereits 1895 von H. A. Johne eine ganz ähnliche Erkrankung beim Rind beschrieben, die er als “Pseudotuberculous enteritis” bezeichnete, und die später als “Johne’s disease” bekannt wurde. Anhand von Untersuchungen an einer Kuh im Oldenburger Land ging er von einer infektiösen Auslösung mit säurefesten Bakterien, ähnlich den Tuberkelbakterien, aus (nach (4)http://www.johnes.org/history/index.html, Zusammenstellung nach (5)Front Immunol. 2015 Mar 4;6:96. doi: 10.3389/fimmu.2015.00096. eCollection 2015.)
Epidemiologie
Es treten europaweit etwa 6 Neuerkrankungen pro Jahr und 100000 Einwohner auf (6)Scand J Gastroenterol. 2015 Aug;50(8):942-51. Die Inzidenz steigt jedoch; in Spanien wurden 2010 bei über 15-Jährigen 10,8 Fälle pro Jahr und 100000 Einwohner gezählt (7)Gastroenterol Hepatol. 2015 Nov;38(9):534-40.
Es wurde ein West-Ost-Gefälle in der Crohn-Inzidenz festgestellt: in westlichen europäischen Ländern lag die Inzidenz 2010 in einer Studienauswertung bei 6,5 und in östlichen bei 3,1 in östlichen Ländern (8)Gut. 2014 Apr;63(4):588-97.
Das Haupterkrankungsalter liegt zwischen 15 und 35 Jahren, ein kleinerer zweiter Gipfel bei 60 Jahren. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.
Anstieg der Crohn-Inzidenz: Die Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen innerhalb eines Zeitraums) des Morbus Crohn (wie auch der Colitis ulcerosa) steigt weltweit deutlich. In Europa wurde zwischen 1962 und 2010 ein Anstieg von 1 auf 6,3 pro 100000 Einwohner und pro Jahr konstatiert (9)Scand J Gastroenterol. 2015 Aug;50(8):942-51. Regional finden sich große Unterschiede in der Inzidenz. In Neuseeland stieg sie zwischen 2004 und 2014 von 16,5 auf 39,5 / 100000 Einwohner (10)Su HY1, Gupta V, Day AS, Gearry RB. Inflamm Bowel Dis. 2016 Aug 1. [Epub ahead of print]! Auf den Faroer-Inseln lag die Inzidenz des Morbus Crohn zwischen 1960 und 1979 bei 1 / 100000 Einwohnern, zwischen 1010 und 2014 bei 10 / 100000 Einwohnern (11)J Crohns Colitis. 2016 Aug;10(8):934-42.
Entstehung
Die Entwicklung des Morbus Crohn wird wesentlich durch die Darmflora und die genetische Veranlagung bestimmt. (12)Nature 2007 ; 448:427 -34 Eine besondere Rolle spielen auslösende Umweltfaktoren, die in den Fokus der Untersuchungen gerückt sind (13)World J Gastroenterol. 2016 Jul 21;22(27):6296-317.
Darmbakterien
Die Zusammensetzung der Darmbakterien (Mikrobiota) ist in gewisser Weise durch das Genom des Wirts (so auch des Crohn-Patienten) und zudem durch die Ernährung bestimmt (“Genom-Mikrobiom-Assoziation”). Wenn die Exposition der Darmwand bezüglich schädlicher Darmbakterien minimiert wird, kann eine Remission (gesunde Phase nach wirksamer Therapie) verlängert werden (14)Curr Opin Gastroenterol. 2015 Jul;31(4):277-82 . Eine Störung der normalen Darmflora durch Antibiotika erhöht das Risiko für den Morbus Crohn (s. u.).
Es wird angenommen, dass insbesondere die sich intrazellulär aufhaltenden und vermehrenden Bakterien Mycobacterium avium ss. paratuberculosis (MAP) bei der Krankheitsentstehung zumindest einiger Crohn-Patienten eine Rolle spielen (15)World J Gastroenterol. 2014 Jun 21; 20(23): 7403–7415.. Allerdings ist es schwierig eine Assoziation von einer auslösenden Ursache zu differenzieren (16)Expert Rev Gastroenterol Hepatol. 2015;9(12):1523-34.
Antibiotika
Antibiotika (außer Penicillin) erhöhen das Risiko für einen Morbus Crohn (nicht dagegen für eine Colitis ulcerosa) 1,7-fach, Metronidazol über 5-fach! Bei Kindern steigern Antibiotika das Crohn-Risiko 2,75-fach. (17)Am J Gastroenterol. 2014 Sep 16. doi: 10.1038/ajg.2014.246. Vermutlich ist die durch Antibiotika bewirkte Veränderung der Zusammensetzung der Darmflora dafür mitverantwortlich.
Genetische Grundlagen, Empfänglichkeit
Inzwischen sind Gene bekannt, die die Bereitschaft für die Entstehung des Morbus Crohn erhöhen; sie bestimmen die Art der Entzündungsreaktion, die beim Morbus Crohn (ähnlich wie bei der Colitis ulcerosa) abnorm ausgeprägt ist.
- NOD2-Gen: Eine zentrale Bedeutung für die abnorme Entzündungsreaktion der Darmwand kommt dem NOD2-Gen zu, dessen Mutation zu einer verminderten zellulären und mukosalen Abwehr gegen Bakterien der Darmschleimhaut führt (18)Nature. 2001;411:599–603 (19)Ann Gastroenterol. 2014;27:294–303. Dabei spielt eine verminderte Aktivierung des NLRP3/Inflammasoms eine Rolle (20)Mediators Inflamm. 2015;2015:936193. doi: 10.1155/2015/936193. Eine solche genetisch verankerte Veränderung der Schleimhautabwehr spielt offenbar eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Morbus Crohn.
- Autophagie-Gene: Es sind bei Crohn-Patienten Veränderungen von Genen gefunden worden, die zu einer Störung der Autophagie führen (siehe hier). Die Autophagie ist ein wesentlicher Mechanismus, über den die Schleimhautbarriere reguliert wird. Ist sie gestört, so können Bakterien einwandern und Entzündungsreaktionen auslösen. (21)Autophagy. 2022 Jan;18(1):86-103. doi: 10.1080/15548627.2021.1909406
Die unterschiedlichen Umwelteinflüsse und die Vielfalt der beim Morbus Crohn bisher gefundenen genetischen Veränderungen erklären wahrscheinlich seine sehr unterschiedlichen Verlaufsformen.
Zellulärer Faktor Smad7
Bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten (CED) ist die TGF-β1-vermittelte entzündungshemmende Reaktion fehlerhaft. Gleichzeitig ist ein TGF-Gegenspieler, namens Smad7, in den Schleimhautzellen erhöht (TGF: transforming growth factor). Da das intrazelluläre Protein Smad7 den von TGF-ß1 ausgehenden Signalweg hemmt, wurde ein Konzept entwickelt, den Smad7-Einfluss zu hemmen, um den TGF-ß1-Signalweg zu restaurieren. Ein Smad7 hemmendes Medikament ist Mongersen. (22)BioDrugs. 2021 May;35(3):325-336. DOI: 10.1007/s40259-021-00482-x Eine Phase-III-Studie ergab jedoch, dass es bei der aktiven Crohn-Krankheit nicht besser wirkt als Placebo. (23) Am J Gastroenterol. 2020 May;115(5):738-745
Enteroadhärente Escherichia coli (AIEC)
Spezielle Coli-Bakterien, die sich an der Schleimhaut anheften (adherent-invasive Escherichia coli, AIEC), spielen bei der Entstehung einer Ileitis terminalis eine entscheidende Rolle. Sie rufen eine narbige Entzündung mit Narbenbildung (Fibrosierung) hervor. Das in Exosomen der Darmschleimhaut nachweisbare “let-7b”, das wirkt antifibrotisch und schützend wirkt, wird durch AIEC herunterreguliert. Hier eröffnet sich ein möglicher therapeutischer Angriffsort.
Es wird angenommen, dass eine Bekämpfung der AIEC sowie eine Let-7b-Erhöhung neue therapeutische Strategien zur Behandlung der Ileitis terminalis werden können. (24)Gut Microbes. 2023 Jan-Dec;15(1):2193115. DOI: 10.1080/19490976.2023.2193115
Entstehung kurzgefasst |
Heute wird davon ausgegangen, dass beim Morbus Crohn zwei Vorbedingungen zusammentreffen:
→ Zur Crohn-Entstehung siehe hier. |
Prädispositionen
Familiäre Belastung: Wenn ein anderes Familienmitglied an einer chronischen Darmkrankheit, sei es eine Colitis ulcerosa oder ein Morbus Crohn leidet, erhöht sich das Erkrankungsrisiko für einen Morbus Crohn auf das doppelte. Das Risiko ist am größten, wenn beide Eltern an M. Crohn erkrankt sind; bei monozygoten Zwillingen ist es auf das 15fache erhöht. (25)Inflamm Bowel Dis. 2011 Jan;17(1):6-12 (26)Acta Chir Scand Suppl. 1990;559:1-42 Die familiäre Prädisposition tritt beim M. Crohn stärker zutage als bei der Colitis ulcerosa. (27)World J Gastroenterol 2006; 12:3668-3672
In Familien eines Patienten mit einem Morbus Crohn finden sich umgekehrt gehäuft auch Mitglieder mit Erkrankungen, die durch ein gestörtes Immunsystem erklärbar sind, wie beispielsweise die Coeliakie. (28)Inflamm Bowel Dis. 2003 Sep;9(5):321-3
Rauchen: Rauchen erhöht das Risiko, an Morbus Crohn zu erkranken, um etwa das 2-fache und verschlechtert den Verlauf.
Diätetische Faktoren: Mehr als 1/3 der Patienten mit einer chronischen Darmkrankheit haben vor Entstehung der Krankheit ihre diätetischen Gewohnheiten geändert. (29)World J Gastroenterol. 2010 Sep 14;16(34):4297-304 Ein hoher Konsum an Zucker (30)Digestion. 1980;20(5):323-6 (31)Scand J Gastroenterol. 1983 Nov;18(8):999-1002, rotem Fleisch und Käse (32)World J Gastroenterol. 2010 Sep 14;16(34):4297-304 erhöht das Erkrankungsrisiko für den Morbus Crohn. Für den vermehrten Zuckerkonsum ist wahrscheinlich eine verminderte Geschmacksempfindlichkeit verantwortlich, die bei vielen Crohn-Patienten nachweisbar ist. (33)World J Gastroenterol. 2010 Sep 14;16(34):4297-304
→ Zum Einfluss der Ernährung auf den Crohn-Verlauf siehe hier.
Psychosomatik
Bei Menschen mit einer Crohn-Erkrankung treten gehäuft psychische Störungen auf. Zu ihnen gehören Ängstlichkeit, vermehrte Selbstbeobachtung, Kontaktscheu bis hin zur Depression. Sie sind am ehesten Folge der Krankheitsaktivität; und in der Regel korrelieren sie mit ihr. Sie können jedoch auch eine gewisse Eigenständigkeit erreichen. Die psychische Befindlichkeit kann den Heilungsprozess beeinflussen. Experimentell lässt sich nachweisen, dass Stressfaktoren die mukosalen Entzündungsreaktionen nachteilig beeinflussen (u.a. über verminderten IL22-vermittelten Schleimhautschutz). (34)Nat Commun. 2021 Nov 18;12(1):6664. DOI: 10.1038/s41467-021-26992-4.
Pathologie
Der Morbus Crohn (Crohn’s disease) ist eine chronische granulomatöse Entzündung des Darms, wobei sich befallene und nicht befallene Abschnitte abwechseln; die Ausbreitung ist diskontinuierlich. Typischerweise sind alle Wandschichten befallen.
Komplizierend können entzündliche Stenosen, vom Darm oder Darmausgang ausgehende Fisteln und Abszesse, eine allgemeine Mangelernährung (Malnutrition) und extraintestinale Manifestationen (z. B. an der Leber, der Haut oder den Gelenken) entstehen.
Der Crohn-Befall kann den gesamten Magendarmkanal betreffen, am häufigsten jedoch das terminale Ileum und das Kolon, meist mit Aussparung des Rektums. Alle Wandschichten betroffen. Tendenz zur Ausbildung von Konglomeraten von Darmschlingen, Stenosen und Fisteln. Fistelgänge verlaufen häufig zwischen den Darmschlingen oder auch nach außen; sie können sich stark verzweigen (Fuchsbau). Die Entzündungen enthalten mikroskopisch häufig Epitheloidzellgranulome. Der histologische Befund einer über die Mukosa in die Tiefe reichenden Entzündung mit Epitheloidzellgranulomen legt einen Morbus Crohn nahe, beweist ihn aber nicht.
Klinik
Die Erkrankung macht sich vielfältig durch vom Darm ausgehende Symptome, extraintestinale Symptome und Komplikationen bemerkbar.
Häufigste Symptome
Die Krankheitszeichen und Beschwerden gehen meist vom Darm aus, betreffen dann aber auch des gesamten Körper.
- Bauchschmerzen, bedingt durch Stenosen und Verwachsungen. Sie sind meist im rechten Unterbauch lokalisiert und täuschen das Bild einer Appendizitis vor (Pseudoappendizitis). Es kann sich ein Darmverschluss entwickeln (Subileus und Ileus).
- Diarrhö (Durchfälle)
– bei Kolonbefall, bedingt durch eine beeinträchtigte Resorption von Flüssigkeit;
– bei Dünndarmbefall bedingt durch mangelhafte Verdauung und Resorption sowie durch Gallensäure-spill-over in das Kolon, chologene Diarrhö)
- Gewichtsabnahme, bedingt durch unzureichende Verdauung und Resorption (Maldigestion und Malabsorption) oder durch Esshemmung wegen Bauchschmerzen,
- Fieber, bei bakteriellen Infektionen und Abszessbildung,
- Anämie, durch die chronische Entzündung
- Fisteln und Abszesse
- selten Blutungen
Extraintestinale Manifestationen
Die Crohn-Krankheit manifestiert sich relativ auch häufig außerhalb des Darms (extraintestinal). Diese Manifestationen treten zusammen mit oder zeitlich unabhängig von der Darmaktivität auf. Hauptsächlich sind folgende Manifestationen zu gewärtigen: (35)Inflamm Bowel Dis. 2015 Aug;21(8):1982-92. DOI: 10.1097/MIB.0000000000000392 (36)Dig Dis Sci. 2017 Dec;62(12):3269-3279. DOI: 10.1007/s10620-017-4781-x .
- Gelenkaffektionen, meist asymmetrische Oligoarthritis großer Gelenke (korreliert meist mit der Aktivität des Morbus Crohn),- Typ 1: ein Gelenk oder wenige Gelenke,-Typ 2: mehrere Gelenke
- ankylosierende Spondylitis (Bechterew), HLA-B27-assoziiert (unabhängig von der Aktivität des M. Crohn, kann ihm vorausgehen)
- primäre sklerosierende Cholangitis (PSC, seltener als bei der Colitis ulcerosa)
- Manifestationen am Auge: Iridozyclitis, Episkleritis, Uveitis, Optikusneuritis
- Manifestationen im Mund: aphthöse Stomatitis, auch schwerere Ausprägung als Pyostomatitis vegetans; Behandlung mit antiseptischen Mundwassern und topischen Kortikosteroiden
- Manifestationen an der Haut:- Erythema nodosum,
– Pyoderma gangraenosum (kommt auch vor bei Colitis ulcerosa und rheumatoider Arthritis),
– Sweet’s-Syndrom, eine akute febrile neutrophile Dermatose, möglicherweise durch Azathioprin bedingt, (37)Inflamm Bowel Dis. 2008;14:1757–1758
– “metastatische Crohn-Erkrankung”: dies ist eine seltene Hauterkrankung, die im Rahmen einer Crohn-Exacerbation auftritt und denselben histologischen Typ von Granulomen aufweist wie der Darmbefall; sie reagiert auf Kortikosteroide, Immunsuppressiva und Biologika unterschiedlich. (38)Arch Dermatol. 1982 Dec;118(12):1006-9 (39)Biomed Res Int. 2017;2017:8192150. DOI: 10.1155/2017/8192150
Komplikationen
- Subileus, Ileus
- Fistelbildungen (intraabdominell, perianal)
- Abszesse (intraabdominell, perianal)
- septische Komplikationen
- toxisches Megakolon
- Osteoporose
- Kurzdarmsyndrom nach wiederholten Darmresektionen
- chologene Diarrhö nach Dünndarmresektion oder bei ausgedehntem Befall des terminalen Ileums
- Vitamin-B12-Mangel nach Dünndarmresektion oder bei ausgedehntem Crohn-Befall des terminalen Ileums
Einflussfaktoren auf Verlauf und Schweregrad
Orale Kontrazeptiva haben keinen oder einen nur schwachen Einfluss auf die Erkrankung.
Praktisch alle Patienten mit einem Befall des oberen GI-Trakts haben auch einen des unteren GI-Trakts.
Bei Patienten mit Morbus Crohn, die nach Knochenmarktransplantation unter Immunsuppression stehen, kann sich ein günstigerer Verlauf der Erkrankung ergeben als vorher.
Osteoporose: Crohn-Patienten weisen ein erhöhtes Osteoporoserisiko auf. Ursächlich findet man häufig einen Vitamin-D-Mangel und eine erhöhte Knochenresorption bei normaler oder nicht ausreichend gesteigerter Neubildung. Körperliches Training steigert die Knochendichte.
Rezidive: Das kumulative Rezidivrisiko nach Erstdiagnose steigt kontinuierlich; nach 1 Jahr erreicht es annähernd 50% (d. h. innerhalb eines Jahres erleiden etwa 50% ein Rezidiv). Nach einer Darmoperation beim Morbus Crohn besteht ein hohes Risiko für ein Rezidiv. Möglicherweise beugt eine Metronidazol-Therapie nach der Operation Rezidiven vor. Die Kombination eines anti-TNF-alpha-Medikaments mit einem Immunmodulator scheint einer Monotherapie überlegen zu sein. (40)Frontline Gastroenterol. 2017 Jul;8(3):203-209. DOI: 10.1136/flgastro-2016-100749. Epub 2016 Dec … Continue reading
Darmkrebs: Bei ausgedehnter Colitis Crohn wird koloskopisch eine hohe Rate an Karzinomen und Dysplasien entdeckt. Eine regelmäßige endoskopische Kontrolle ist daher sinnvoll.
Psychische Störungen: Beim Morbus Crohn ist häufig das psychische Befinden erheblich gestört. Mitbeteiligt an der Entstehung der psychischen Dysfunktion sind offenbar Darmbakterien, und die von ihnen produzierten Derivate der primären Gallensäuren spielen dabei eine bedeutende Vermittlerrolle. In einer Untersuchung fand sich eine klare Assoziation bestimmter Bakterienstämme, die bei der Erkrankung überrepräsentiert waren, dem Gallensäuremuster in Blut und Darm und dem selbst eingeschätzten Grad der psychischen Störung von Crohn-Patienten (z. B. Depression). (41)FASEB J. 2022 Jan;36(1):e22100. DOI: 10.1096/fj.202101088RRR.
Klassifikation
Die Montreal-Klassifikation berücksichtigt Alter bei Diagnosestellung, Lokalisation und Charakteristik der Entzündung. (42)Gut. 2006 Jun;55(6):749–53.
Krankheitsparameter
- Alter bei Diagnosestellung
- A1 unter 16 Jahre
- A2 zwischen 16 und 40 Jahren
- A3 über 40 Jahren
- Lokalisation
- L1 Ileum
- L2 Kolon
- L3 Ileum und Kolon
- L4 isolierte obere gastrointestinale Lokalisation (zusätzlich zu L1 – L3)
- Behavior (Charakter der örtlichen Veränderung)
- B1 keine Einengung, keine Penetration
- B2 Einengung
- B3 Penetration, Perforation
- P perianale Fistel (zusätzlich zu B1 – B3)
Diagnostik
Das diagnostische Spektrum umfasst
- die Anamnese (Durchfälle, Darmkrämpfe),
- Laborwerte: Entzündungsmarker wie BSG und CRP, faekales Calprotectin,
- die Koloskopie mit Intubation des terminalen Ileums (makroskopischer Hinweis, Histologie-Gewinnung),
- die Darmsonographie (speziell Beurteilung der Dicke der Darmwandung im terminalen Ileum, bei Colitis Crohn auch des Kolons),
- das Enteroklysma nach Sellink (Dünndarmdarstellung röntgenologisch, Sellink-Untersuchung) und
- den MR-Sellink.
Die Diagnose einer Crohn-Krankheit stützt sich in erster Linie auf
- den endoskopischen Befund (bei Koloskopie, Gastroskopie oder Enteroskopie) disseminierter Schleimhautläsionen mit oft segmentalem Befall und häufig Dünndarmbeteiligung,
- die Histologie mit Epitheloidzellgranulomen (nicht immer in einer histologischen Probe nachweisbar) und mit Einbeziehung aller Wandschichten in die Entzündung und
- eine Dünndarmkontrastuntersuchung nach Sellink bzw. den MR-Sellink zum Nachweis von Lokalisation, Ausdehnung, Stenosegrad und Fistelbildung. Typischer Befund ist eine entzündliche Verengung im terminalen Ileum, (“Ileitis terminalis”).
Folgende Informationen werden zusätzlich benötigt:
- Die Floridität lässt sich durch die Entzündungsparameter unter den Laborwerten (BSG, CRP, alpha2-Globulin, Fibrinogen) kontrollieren. Sie wird durch den “Crohn´s Disease Activity Index” (CDAI nach Best, Best-Index) angegeben. Bei Werten <150 kann man von einer ruhenden Krankheit (Remission), bei Werten von 150 und höher von Krankheitsaktivität ausgehen.
Zur Berechnung des Best’schen Aktivitäts-Index siehe hier. - Komplikationen, wie Abszesse und Fisteln, werden durch Sonographie der Leber und des Darms, einer MR-Sellink-Untersuchung oder durch eine CT-Untersuchung erkannt.
- Extraintestinale Manifestationen an der Haut sind leicht zu entdecken. Relativ häufig sind ein Pyoderma gangraenosum und ein Erythema nodosum zu finden. Sie müssen jedoch als zum M. Crohn gehörig erkannt werden.
- Eine assoziierte PSC (primär sklerosierende Cholangitis), die in bis zu 5% mit dem Morbus Crohn assoziiert ist, kann durch eine MRCP und in besonderen Fällen durch eine Leberbiopsie geklärt werden.
Spezielle immunologische Parameter
Die Antikörper, die bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten gefunden werden, sind alle nicht so spezifisch, dass mit ihrer Hilfe der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa eindeutig auseinander gehalten werden können.
pANCA finden sich beim Morbus Crohn in etwa 20%, bei der Colitis ulcerosa in ca. 65%.
Antikörper gegen den Hefepilz Saccharomyces cerevisiae (ASCA) finden sich beim Morbus Crohn häufig, seltener bei der Colitis ulcerosa.
Antikörper gegen Tropomyosin werden bei der Colitis ulcerosa, nicht dagegen beim M. Crohn gefunden.
Es werden serologische Marker gesucht, die es erlauben sollen, den Morbus Crohn besser von der Colitis ulcerosa zu unterscheiden, das Risiko für Komplikationen abzuschätzen und ggf. auch bereits in einer vorklinischen Phase das Risiko für die Entstehung erkennen zu können.
Mikrobielle Marker
Marker, die vom veränderten Darmmikrobiom ausgehen, werden zur Diagnostik der Erkrankung zunehmend interessant. In einer Untersuchung wurde gezeigt, dass von 6 solcher Marker (ASCA-IgA, ASCA-IgG, anti-OmpC, anti-CBir1, anti-A4-Fla2 und anti-FlaX) mindestens 1 Marker bei denen positiv war, die im Mittel 6 Jahre später einen Morbus Crohn entwickelten. Je näher die Erkrankung kam, umso mehr der Marker wurden positiv. (43)Aliment Pharmacol Ther. 2016 Jun;43(12):1300-10. doi: 10.1111/apt.13641.
→ Zur Diagnostik des Morbus Crohn siehe hier.
Differentialdiagnosen
Ausschlaggebend für die Diagnose ist der endoskopische Befund zusammen mit der Histologie. Beide können für sich genommen in die Irre führen, da auch infektiöse Darmentzündungen (Enteritiden) ein ähnliches Bild bieten können.
Auch mit Hilfe aller histologischen und bildgebenden Ergebnisse ist die Diagnose eines Morbus Crohn nicht immer möglich. Aus einer “indeterminierten” Kolitis (Colitis indeterminata) kann manchmal erst im Laufe der weiteren Entwicklung eine Colitis Crohn oder Colitis ulcerosa erkennbar werden.
- Colitis ulcerosa: Beim Kolonbefall des Morbus Crohn (Colitis Crohn) kommt differenzialdiagnostisch die Colitis ulcerosa in Betracht. Meist lassen sie sich endoskopisch und histologisch differenzieren. Wenn histologisch keine eindeutige Unterscheidung vorgenommen werden kann, zählt das Ausbreitungsmuster (segmentaler Befall vs. kontinuierliche Ausbreitung, aufsteigende Entzündung, s.o.), das endoskopisch gesehen wird, als führendes Indiz.
- Protrahierte Enteritis: Beim Befall des terminalen Ileums kommt differenzialdiagnostisch eine protrahiert verlaufende Enteritis, z. B. eine Yersinien-Infektion, in Betracht. Eine Yersiniose ist gelegentlich schwer von einer Ileitis terminalis Crohn unterscheidbar.
- Darmtuberkulose: Eine Darmtuberkulose kann makroskopisch und histologisch einen M. Crohn vortäuschen. Sie sollte vor immunsuppressiver oder Anti-TNF-alpha-Behandlung ausgeschlossen sein.
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach Stadium, Lokalisation und Ausprägung inkl. der Komplikationen der Erkrankung und sowie der Verträglichkeit der Medikamente. Die medikamentöse Palette umfasst inzwischen neben den altbewährten Kortisonpräparaten Immunmodulatoren und TNF-alpha-Hemmer wie Adalimumab, monoklonale Antikörper gegen Interleukine 12/23, wie Ustekinumab (44)Expert Opin Biol Ther. 2019 Feb;19(2):89-98. DOI: 10.1080/14712598.2019.1561850. Epub 2018 Dec 27. … Continue reading, gegen Integrin α4β7, wie Vedolizumab (45)N Engl J Med. 2013 Aug 22;369(8):711-21. doi: 10.1056/NEJMoa1215739. PMID: 23964933. (46)Front Cell Dev Biol. 2021 Feb 3;9:612830. doi: 10.3389/fcell.2021.612830. PMID: 33614645; PMCID: … Continue reading, Kombinationstherapien und Operation. Zu Beginn werden oft Kortisonpräparate verwendet, um während der Einleitung einer Anti-TNF-alpha-Therapie eine rasche Symptombesserung zu bewirken. (47)JAMA. 2021 Jan 5;325(1):69-80. DOI: 10.1001/jama.2020.18936. PMID: 33399844.
Folgende Maßnahmen und Therapieoptionen haben sich in der Behandlung des Morbus Crohn als günstig erwiesen:
Allergenarme Ernährung: Heute wird zunehmend eine gesunde Ernährung als ein wichtiges Standbein der Crohn-Therapie angesehen. Denn über die Ernährung lässt sich das Mikrobiom des Darms (die Darmflora) günstig beeinflussen. Eine Minimierung von Allergenen in der Nahrung soll den Verlauf günstig beeinflussen und wird als wesentliches Standbein der Crohn-Therapie bei akuten Schüben angesehen (48)Lancet. 1976 Jan 17;1(7951):122-4 (49)Can J Gastroenterol Hepatol. 2015 Oct; 29(7): 351–356. .
→ Zum Einfluss der Ernährung auf den Crohn-Verlauf siehe hier.
Rauchen aufhören: Rauchen verschlimmert den Verlauf des Morbus Crohn und erhöht das Risiko eines erneuten Schubs (Relaps) erheblich (50)Am J Gastroenterol. 2012 Sep; 107(9): 1399–1406: Es gilt die dringende Empfehlung, mit Rauchen unbedingt aufzuhören. Dies gehört zu den Grundbedingungen einer wirkungsvollen Therapie (51)World J Gastroenterol. 2011 Aug 21; 17(31): 3567–3574.
Medikamentöse Therapie: Die medikamentöse Behandlung des Morbus Crohn stützt sich auf Glukokortikoide, Azathioprin und auf Anti-TNF-alpha-Medikamente, wie Infliximab oder Adalimumab. Allerdings sprechen etwa 1/3 der Patienten auf die TNF-alpha-Blocker nicht an. Sie können vom neu entwickelten Ustekinumab und von Vedolizumab, einem Integrin-Antagonisten, profitieren. Dazu siehe hier. Es gelten die Leitlinien der ECCO. (52) J Crohn’s Colitis. 2020 Jan;14(1):4–22.
Operation: Bei Ausbildung von Stenosen, Fisteln oder Abszessen können Operationen notwendig werden, bei denen jedoch so wenig Darm wie möglich reseziert wird. Zur Aufrechterhaltung einer chirurgisch erzielten Remission werden Azathioprin und Adalimumab verwendet. Es gelten die Leitlinien der ECCO. (53) J Crohn’s Colitis. 2020 Feb;14(2):155–68.
Neue Entwicklungen: Neue Therapieprinzipien sind
- Mongersen: es ist ein neues orales Therapieprinzip (ein Antisense-Oligopeptid), welches welches die Immunlage des Darms verbessert (Anhebung der Aktivität von TGFß1) und die Entzündung unterdrückt. Es vermag einen aktiven Morbus Crohn in Remission zu bringen. (54)Therap Adv Gastroenterol. 2016 Jul;9(4):527-32. doi: 10.1177/1756283X16636781 (55)BioDrugs. 2021 May;35(3):325-336. DOI: 10.1007/s40259-021-00482-x
- Ustekinumab, welches die Entzündungsreaktion des Körpers dämpft und auch bei Versagen von Infliximab und Adalimumab noch wirksam sein kann (siehe hier). (56)Results of a Phase 3 Study. Am J Gastroenterol. 2020 May;115(5):738-745. DOI: … Continue reading
Vorhersage des Therapieerfolgs
Bisher fehlten Biomarker, welche eine Prognose der Therapieerfolgs erlaubten. Nun zeichnet sich ab, dass das Muster der Stoffwechselprodukte (qualitative und quantitative Analyse kleiner Stoffwechselprodukte, “Metabolomics”) eine solche Rolle übernehmen und damit die Therapie individuell beeinflussen kann. (57)Therap Adv Gastroenterol. 2021 Dec 21;14:17562848211064489. DOI: 10.1177/17562848211064489. PMID: … Continue reading Auch fäkales Calprotectin kann dafür als Biomarker in Frage kommen. (58)World J Gastrointest Pathophysiol. 2015 Nov 15;6(4):203-9. DOI: 10.4291/wjgp.v6.i4.203. PMID: … Continue reading In einer Untersuchung wurde festgestellt, dass die Abnahme der proinflammatorischen Interleukine IL-6 und IL-10 frühzeitig anzeigt, dass die Erkrankung auf die Therapie anspricht. (59)Inflamm Bowel Dis. 2022 Aug 1;28(8):1207-1218. doi: 10.1093/ibd/izab253.
Mehr zur Crohn-Therapie siehe hier.
Zur Rolle der Ernährung siehe hier.
Schwangerschaft
Frauen mit einem Morbus Crohn, die schwanger werden, können und sollten weiterbehandelt werden. Bezüglich der wechselseitigen Auswirkungen von Schwangerschaft und Morbus Crohn sowie zur Behandlung siehe hier.
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Verweise
Morbus Crohn – Kompendium
- Morbus Crohn: Hauptblatt
- Crohn-Kolitis
- Morbus Crohn Pathogenese
- Morbus Crohn Diagnostik
- Morbus Crohn Therapie
- CDAI nach Best
- Morbus Crohn in Bildern
- Morbus Crohn und Schwangerschaft
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Infos für Patienten
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Literatur