Dihydrotestosteron (DHT)

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Allgemeines

Dihydrotestosteron (DHT) ist das biologisch aktive Stoffwechselprodukt des männlichen Sexualhormons Testosteron, das damit als Prohormon aufgefasst werden kann. Es wird in den Zellen der Zielorgane, die Androgenrezeptoren besitzen, gebildet und gelangt in geringen Mengen ins Blut. Veränderungen des DHT-Spiegels werden bei Krankheiten des Hormonsystems und bei einer Behandlung zur Senkung bzw. einer Steigerung der Testosteronwirkung gefunden 1. Die unterschiedliche Ausprägung der Androgenrezeptoren und der DHT-Konzentrationen bei weiblichen und männlichen Individuen (Menschen und Versuchstieren) erklärt, weshalb zum Teil erhebliche Geschlechtsunterschiede im Verlauf von Krankheiten bestehen. Ältere Untersuchungen und Studien, die dies noch nicht berücksichtigt haben, können daher in manchen Fällen nur eingeschränkt aussagefähig sein.

Das Hormonsystem: Basics

Referenzbereiche in Serum

  • Frauen prämenopausal: 26 – 264 pg/ml
  • Frauen postmenpausal: 10 – 181 pg/ml
  • Männer: 26 – 770 pg/ml

Umrechnung: pg/ml x 3,44 = pmol/l
(nach endokrinologicum-Labore Hamburg)

Erniedrigte Werte

  • Therapie mit 5-alpha-Reduktase-Hemmern
  • Steroid-5-alpha-Reduktase-Mangel
  • Hypogonadismus
  • Leberzirrhose
  • Östrogentherapie
  • Klinefelter-Syndrom (männliches Geschlecht, Hypogonadimus, Brustvergrößerung, Chromosomenanomalie XXY)

Erhöhte Werte

  • Pubertas praecox (vorzeitige Pubertät)
    • Adrenogenitales Syndrom (Pseudopubertas praecox bei Jungen und verfrühte Menarche sowie Hirsutismus bei Mädchen)
  • Nebennierenrindentumor
  • Hodentumoren
  • Ovarialtumoren
  • Hirsutismus (vermehrte Behaarung am Körper)

Physiologie

Bildung und Wirkung von DHT

Die Wirkung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron in den einzelnen Organen und Geweben beruht auf der intrazellulären Konzentration seines Stoffwechselprodukts DHT. Das geschwindigkeitsbestimmende Enzym ist die 5α-Reduktase (SRD5A; Typen I und II).

Bildung von DHT aus Testosteron

Testosteron wird überwiegend im Hoden, dort in den Leydigschen Zwischenzellen, aus Gestagenen gebildet. Die Produktion steht unter dem regulierenden Einfluss der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), welche ICSH („Interstitial cell stimulating hormone“) bildet. Es ist identisch mit LH, dem Luteinisiungshormon der Frau. Testosteron gelangt über das Blut zu den Zielorganen, in denen es über die 5α-Reduktase in das hormonell aktive DHT umgewandelt wird. 2

Testosteron ist Ausgangssubstanz für die Bildung von Östrogenen. Dafür verantwortlich ist eine Aromatase (Cytochrom CYP19A1). Syntheseweg: Cholesterin, Pregnenolon, Progesteron, Testosteron, Östrogene). Das Testosteronprodukt DHT kann nicht durch die Aromatase in Östrogen (neuere, amerikanisierte Schreibweise Estrogen) umgewandelt werden.

Wirkung über Androgenrezeptoren

Testosteron entfaltet überall dort seine Wirkung, wo Androgenrezeptoren auf den Zelloberflächen existieren, Hauptzielorgane sind Prostata, Fettgewebe, Muskulatur, Haut und Leber. Aber sie werden auch im Gehirn 3, auf Immunzellen 4, in den Blutgefäßen des Herzens (Endothelien der Koronararterien) 5 und auf vielen anderen Zelltypen gefunden. Nur dort kann DHT aus Testosteron gebildet werden. Aus diesen Zellen gelangt DHT in geringen Mengen in die direkte Umgebung und übt dort einen parakrinen Effekt aus. Es gelangt vor allem ins Blut und über diesen Weg seinen endokrinen Effekt aus.

Beispiele

DHT bindet an Androgenrezeptoren an Haarfollikeln und führt zu ihrer Degeneration 6. Es bindet an Endothelzellen mit der Folge einer Epithelzellproliferation (Wirkung über den VEGF-Signalweg) 7 und an glatte Muskulatur von Blutgefäßen 8. Eine antiandrogene Therapie mit Finasterid verbessert bei Versuchstieren die Herzfunktion nach experimentellem Herzinfarkt 9 und die Leistungsfähigkeit der Herzmuskulatur bei Patienten mit Aortenstenose 10. Durch Sexualhormone wird ebenfalls erklärt, dass Geschlechtsunterschiede bezüglich des Aussprossens neuer Blutgefäße in den Lungen bestehen 11.

DHT erhöht experimentell die Insulinresistenz und das Diabetesrisiko 12 2.

Therapeutische Beeinflussung

Hemmer der 5α-Reduktase (wie Finasterid und Dutasterid) senken die DHT-Konzentration im Gewebe und vermindern so z. B. in der Prostata oder in der Haut die Wirkung von Testosteron. Folge ist, dass Größe und Funktion der Prostata abnehmen oder die Haarfollikel wieder stimuliert werden. 5-Alpha-Reduktasehemmer werden zur Prostataverkleinerung bei Prostatahypertrophie und Symptomen eines Harnverhalts sowie bei androgenetischer Alopezie (Haarverlust) eingesetzt.

Die therapeutische Senkung des intrazellulären DHT-Spiegels durch 5α-Reduktase-Hemmer führt zu einer Verringerung des DHT-Spiegels auch im Blut. 13

Die DHT-Konzentrationen im Serum werden durch eine Testosteronersatztherapie deutlich erhöht; dies hat jedoch kaum Auswirkungen auf die DHT-Konzentrationen in der Prostata, die Größe der Prostata und die Symptome beim Wasserlassen. Der Grund hierfür wird in effektiven Kontrollmechanismen zur Aufrechterhaltung des intrazellulären DHT-Spiegels gesehen. 14

Testosteronersatz-Therapie

Die DHT-Konzentration im Serum hängt mit der Testosteron-Konzentration im Serum zusammen. Sie kann durch eine Testosterone replacement therapy (TRT) erhöht werden. Sie wird zudem von der Aktivität intrazelluläer 5-Alpha-Reduktase beeinflusst. Die DHT- Konzentration im Serum beträgt etwa ein Zehntel der Gesamt-T-Konzentration, hat aber eine große Variationsbreite. Nach einer TRT werden allerdings nur geringfügige Anstiege des Serum-DHT und des DHT/T-Verhältnisses beobachtetet 15.

Veränderungen des DHT-Spiegels

Veränderungen des DHT-Spiegels sind bei folgenden Bedingungen zu erwarten:

  • Unter Therapie mit einem Inhibitor der Steroid-5α-Reduktase (wie Finasterid und Dutasterid),
  • Beim androgenetischen Haarausfall 16,
  • Bei der Hydrosadenitis suppurativa 17
  • Bei der benignen Prostatahyperplasie (BPH) mit Blasenentleerungsstörung 18
  • Bei einer Antiandrogen-Therapie des Prostatakarzinoms 19.
  • bei Erkrankungen mit Androgenüberproduktion,
  • Unter einer Androgen-Behandlung, z. B. bei Frauen 20 und Männern mit Androgenmangel 21 oder bei Doping 22.

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Verweise

Referenzen

  1. Endocr Rev. 2017 Jun 1;38(3):220-254. DOI: 10.1210/er.2016-1067[]
  2. Endocr Rev. 2017 Jun 1;38(3):220-254[][]
  3. Neurosci Lett. 2021 May 14;753:135852. doi: 10.1016/j.neulet.2021.135852[]
  4. FASEB J. 1999 Jan;13(1):123-33. doi: 10.1096/fasebj.13.1.123[]
  5. J Endocrinol. 2016 Apr;229(1):R1-R16. doi: 10.1530/JOE-15-0518[]
  6. Stem Cell Res Ther. 2023 Aug 23;14(1):219. doi: 10.1186/s13287-023-03398-1[]
  7. Am J Physiol Heart Circ Physiol. 2011 Apr;300(4):H1210-21[]
  8. Clin Sci (Lond). 2017 Jul 1;131(13):1405-1418.[]
  9. J Mol Cell Cardiol. 2018 Sep;122:114-124[]
  10. Am J Physiol Heart Circ Physiol. 2022 Nov 1;323(5):H949-H957[]
  11. J Physiol Heart Circ Physiol. 2023 Jan 1;324(1):H26-H32[]
  12. Endocrinology. 2007 Nov;148(11):5369-76.[]
  13. Endocr Rev. 2017 Jun 1;38(3):220-254[]
  14. Endocr Rev. 2017 Jun 1;38(3):220-254. doi: 10.1210/er.2016-1067[]
  15. Endocr Rev . 2017 Jun 1;38(3):220-254. doi: 10.1210/er.2016-1067. []
  16. Eur J Dermatol. 2001 Jul-Aug;11(4):332-4[]
  17. J Clin Aesthet Dermatol. 2016 Jun;9(6):44-50[]
  18. Transl Androl Urol. 2023 Mar 31;12(3):487-496[]
  19. Eur J Pharmacol. 2020 Jan 5;866:172783. doi: 10.1016/j.ejphar.2019.172783[]
  20. Arch Gynecol Obstet. 2013 Oct;288(4):731-7[]
  21. Int J Gen Med. 2022 Sep 7;15:7123-7130[]
  22. Minerva Endocrinol. 2018 Dec;43(4):476-488[]