Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste verständlich
Chronisch entzündliche Darmkrankheiten sind Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms, die zu lang anhaltenden Entzündungsphasen führen und immer wieder aufflammen können. Die meisten Krankheiten dieser Gruppe sind durch ein fehlgeleitetes Immunsystem bedingt und gehören zu den Autoimmunkrankheiten. Ihr Verlauf ist individuell sehr unterschiedlich. Er kann schleichend sein, längere Ruhephasen aufweisen oder immer wieder akute Verschlimmerungen beinhalten. Ursache: Das körpereigene Immunsystem greift die Schleimhaut des eigenen Darms an. Es handelt sich daher um Autoimmunkrankheiten. Begründet ist dies in abnormal funktionierenden Genen. Häufig leiden enge Familienmitglieder ebenfalls an einer chronischen Darmkrankheit oder einer anderen chronischen Krankheit, z. B. „Rheuma“. Als Auslöser kommen Infektionen mit Krankheitserregern infrage. An der Entstehung einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit sind Darmbakterien zentral mitbeteiligt. Regelmäßigs findet sich ein abnormes Mikrobiom. Extraintestinale Manifestationen: Häufig beschränkt sich die Erkrankung nicht auf den Darm, sondern bezieht andere Organe und Gewebe ein. Solche “extraintestinalen Manifestationen” können die Leber, die Haut, die Gelenke und andere Organe betreffen. Beispiele sind eine chronische Entzündung der Gallenwege (primär sklerosierende Cholangitis, PSC), rheumatische Gelenkbeschwerden oder eine eitrige Pustelbildung auf der Haut (Pyoderma gangraenosum). Folgende Krankheiten werden unter dem Begriff einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit zusammengefasst:
Weitere Darmkrankheiten, die einen chronischen Verlauf nehmen können, sind Infektionen mit Krankheitskeimen, die der Körper nicht ausreichend bekämpfen kann. Hierzu gehören der Morbus Whipple, die Darmtuberkulose und gelegentlich auch eine pseudomembranöse Colitis durch eine Infektion mit Clostridium difficile. Diagnostik: Die Diagnostik von Darmkrankheiten stützt sich im Wesentlichen auf endoskopische und radiologische Verfahren. Zudem ist jeweils eine Diagnostik der Entzündungsaktivität und möglicher extraintestinaler Manifestationen einzubeziehen. Ziel ist es, die Lokalisation der Entzündungsherde, die Komplikationen, sowie die Aktivität der Erkrankung festzustellen. Therapie: Das Ziel einer Behandlung ist jeweils eine Symptomfreiheit, ein Rückgang der extraintestinalen Manifestationen und eine möglichst anhaltende „Remission“ (Freiheit von Krankheitsaktivität). Eine vollständige Heilung, die einen Relaps (eine Wiederhehr) ausschließt, ist bei der bestehenden genetischen Prädisposition nicht möglich. Dagegen sind bakteriell ausgelöste chronische Darmkrankheiten prinzipiell heilbar. Die neuen Therapieoptionen (DMARDs, Antikörper, Checkpointinhibitoren) haben zu einer bedeutenden Verbesserung der Bahndlungserfolge geführt (siehe jeweils bei den einzelnen Krankheiten). |
Allgemeines
Den chronisch entzündlichen Darmkraankheiten liegt eine genetische Veranlagung zugrunde. Bei ihrer Entstehung spielen das Immunsystem und das Darmmikrobiom eine entscheidende Rolle. (1)Int J Mol Sci. 2021 Jul 16;22(14):7618. doi: 10.3390/ijms22147618.
Zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED, engl: inflammatory bowel disease, IBD) im engeren Sinne werden folgende Krankheiten zusammengefasst:
- Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa,
- Kolitis vom intermediären Typ (Colitis indeterminata, nicht eindeutig einer der beiden Krankheiten zuzuordnen).
Im weiteren Sinne gehören auch die Coeliakie (einheimische Sprue) und der Morbus Whipple zu den entzündlichen Krankheiten des Darms mit chronischem Verlauf.
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Häufigkeit
Etwa einer unter 200 Menschen in der westlichen Welt leidet an einem Morbus Crohn oder einer Colitis ulcerosa. In Entwicklungsländern, in denen bisher eine geringere Häufigkeit bestand, nimmt die Inzidenz zu (2)Gastroenterology. 2012;142:46–54. Umweltfaktoren spielen dabei wahrscheinlich eine Rolle; so vor allem die sich ausbreitende, hoch-prozessierte westliche Kost.
Genetik
Sowohl die Colitis ulcerosa als auch der Morbus Crohn haben eine genetische Grundlage. Man geht von einer polygenetischen Vererbung aus, d. h. dass nicht ein einzelnes Gen für die eine oder die andere Erkrankung verantwortlich ist. Es gibt Familien, in denen beide Erkrankungen und zudem Manifestationen anderer genetisch bedingter Erkrankungen, vor allem auch von anderen Autoimmunkrankheiten vorkommen. Ein einfacher Erbgang besteht nicht.
„Suszeptibilitätsgene“ können laut Untersuchungen in ihrer Aktivität durch epigenetische Einflüsse (z. B. durch Methylierung der DNA) verändert werden. Solche Einflüsse können von Nahrungsbestandteilen und Zusatzstoffen zu Nahrungsmitteln ausgehen. Es wurde eine Vielzahl von Genen gefunden, die mit der Entwicklung einer CED zusammenhängen. (3)PLOS March 16, 2018 https://doi.org/10.1371/journal.pone.0194036 (4)PLoS One. 2019 Feb 5;14(2):e0212148. doi: 10.1371/journal.pone.0212148. Erratum
Multiple Genloci: Inzwischen sind über 100 Genloci bekannt (5)Gastroenterology. 2011 May; 140(6):1704-12, in einer Untersuchung wurden 163 Suszeptibilitätsgene (Gene, die eine erhöhte Empfänglichkeit bewirken) identifiziert. Die meisten Risikogene finden sich bei beiden chronisch entzündlichen Darmkrankheiten, was den fließenden Übergang des Erscheinungsbildes zwischen beiden erklärt (6)Nature. 2012;491:119–124. Eine spezifische Methylierung von Empfänglichkeitsgenen scheint eine wesentliche Rolle zu spielen. (7)PLoS One. 2018 Mar 16;13(3):e0194036. doi: 10.1371/journal.pone.0194036. Da sie durch Umweltfaktoren zustande kommen kann, erklärt sich möglicherweise die Zunahme der Krankheitsinzidenz in Entwicklungsländern, die mit westlicher Kost in Berührung gekommen sind. (8)Gastroenterology. 2012;142:46–54 Zu den unterschiedlich methylierten Genen gehören VMP1/TMEM49/MIR21 (welche Proteine des endoplasmatischen Retikulums kodieren, die die Verteilung von Cholesterin und Phosphatidylserin regulieren (9)J Cell Biol. 2021 Jun 7;220(6):e202103105. doi: 10.1083/jcb.202103105. ) und RPS6KA2 (ein Tumorsuppressorgen (10)Int J Oncol. 2009 Apr;34(4):1099-108 )
Ethnische Unterschiede: Es sind zwei gemeinsame spezifische Suszeptibilitätsorte für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa im Genom identifiziert worden, die spezifisch im ostasiatischen Raum (11)J Gastroenterol. 2016 Jul;51(7):672-81. doi: 10.1007/s00535-015-1135-3. sowie bei Afrikanern (12)Gastroenterology. 2017 Jan;152(1):206-217.e2. doi: 10.1053/j.gastro.2016.09.032. vorkommen. Die Genetik menschlicher Populationen spielt damit bei der Bereitschaft für eine chronisch entzündliche Darmkrankheit und die Art ihrer Manifestation eine entscheidende Rolle, was bei ethnischen Migrantengruppen zu berücksichtigen ist. (13)World J Gastroenterol. 2018 Jan 21;24(3):424-437. doi: 10.3748/wjg.v24.i3.424.
Subphänotype: In einer großen Genotyp-Assoziationsstudie, an der 49 Zentren in 16 Ländern mit insgesamt 34 819 Patienten (19713 mit CD, 14683 mit Cu) teilnahmen, wurde eine Genotypisierung durchgeführt. Es zeigte sich, dass drei Genorte (NOD2, MHC und MST1 3p21) mit Subphenotypen der chronisch entzündlichen Darmkrankheiten assoziiert waren, die hauptsächlich die Krankheitslokalisation betrafen. Die genetischen Risikoscores, die sich erstellen ließen, zeigten, dass der Morbus Crohn des terminalen Ileums eine von der Colitis Crohn unterscheidbare Entität (Krankheitseinheit) darstellt (14)Lancet. 2016 Jan 9; 387(10014): 156–167. Der bei Menschen afrikanischer Herkunft und bei Bangladeshis vorherrschende Phänotyp ist mit einer erhöhten Inzidenz an perianaler Manifestation assoziiert. (15)World J Gastroenterol. 2018 Jan 21;24(3):424-437. doi: 10.3748/wjg.v24.i3.424.
Assoziation mit andern Autoimmunkrankheiten: Es wurden verschiedene genetische Suszeptibilitätsorte gefunden, die auch mit der Entstehung anderer Autoimmunkrankheiten in Zusammenhang gebracht werden, so vor allem mit der ankylosierenden Spondylitis (Morbus Bechterew) und der Psoriasis. (16)Nature. 2012 Nov 1;491(7422):119-24. doi: 10.1038/nature11582.
Auslöser und Entstehung
Es wird angenommen,
- dass sowohl bei der Colitis ulcerosa als auch beim Morbus Crohn eine genetisch bedingte Veranlagung zu einer autoimmunen Reaktion vorliegt, bei der das Immunsystem des Körpers nicht nur Angriffe von außen abwehrt (Bakterien, Viren, sonstige Substanzen) sondern auch Bestandteile des Körpers selbst angreift (dazu siehe hier),
- dass zur Manifestation dieser Darmkrankheiten bestimmte Auslöser notwendig sind.
Die Auslösung einer chronisch entzündlichen Darmkrankheiten ließ sich in Zusammenhang bringen mit
- diätetischen Faktoren (Inhaltsstoffen von Nahrungsmitteln),
- einer pathogenen Darmflora (krankhafte Darmkeime) und
- einer beeinträchtigten Unversehrtheit bzw. erhöhten Permeabilität der Darmwand.
Der genetisch empfängliche Körper reagiert mit einer übersteigerten lokalen Abwehrreaktion durch das Immunsystem: die Darmwand entzündet sich stärker und anhaltender als bei Nichtbetroffenen. (17)Nature. 2011;474:307–317
Typisch ist Vermehrung proinflammatorischer Lymphozytentypen (Th1- und Th17-Zellen) im Darm und ein Mangel an Treg-Zellen (regulatorischen T-Zellen). Diese Konstellation fördert eine ständige Überempfindlichkeit gegenüber mikrobiellen Antigenen und entzündliche Gewebeschäden. (18)Int J Mol Sci. 2021 Jul 16;22(14):7618. doi: 10.3390/ijms22147618
Vielfalt der Verlaufsformen
Da es sehr viele Gene gibt, deren Mutation zu solch einer erhöhten Empfänglichkeit für eine CED beitragen können, und weil diese Gene unterschiedliche Effekte zeitigen, gibt es sehr unterschiedliche Ausprägungen der Entzündungen und Verläufe.
Die jeweilige Kombination betroffener Gene bestimmt die individuelle genetische Disposition und die Erscheinungs- und Verlaufsform der Erkrankungen und wie sie auf Medikamente reagiert.
Bedeutung der Ernährung
Die Bedeutung der Ernährung als Krankheitsauslöser wird intensiv untersucht. Ausgangspunkte sind die Überlegungen, dass
- Zusatzstoffe zu Nahrungsmitteln eine intensive Abwehrreaktion anregen können, und dass
- die Nahrungsmittel das Mikrobiom des Darms (Zusammensetzung der Bakterienarten) entscheidend beeinflussen (19)Nutr Res Rev. 2016 Jun;29(1):40-59. doi: 10.1017/S0954422416000019. Epub 2016 Apr 18..
Die Vermeidung solcher Auslöser kann vermutlich zur Behandlung genutzt werden (20)World J Gastroenterol. Mar 28, 2017; 23(12): 2124-2140 doi: 10.3748/wjg.v23.i12.2124:
- Eine veränderte Ernährung verändert das Mikrobiom des Darms (der Darmflora), das bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten (CED) erheblich alteriert ist. Das Mikrobiom von CED-Patienten vermindert (experimentell) direkt die Abwehr der Darmschleimhaut.
- Nahrungsbestandteile selbst können die Darmschleimhaut beeinflussen: In ihnen enthaltene (oft zugesetzte !) Mikronährstoffe sind in der Lage, die Erbsubstanz (DNA) im Körper epigenetisch zu modulieren und das Risiko einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit zu erhöhen. (21)World J Gastroenterol. Mar 28, 2017; 23(12): 2124-2140 doi: 10.3748/wjg.v23.i12.2124
Bedeutung des Darmmikrobioms
Bei chronische entzündlichen Darmkrankheiten wie dem Morbus Crohn ist regelmäßig eine Dysbiose zu finden: die Diversität der Darmkeimspezies ist eingeschränkt, ungünstig wirkende Aerobier verbreiten sich auf Kosten der ansässigen günstig wirkenden Anaerobier (Firmicutes-Stämme wie Faecalibbacterium prausnitzii). Die Wechselwirkungen zwischen den bakteriellen und Pilzspezies verändert sich. Es treten Stoffwechselprodukte, Toxine und Mediatorstoffe auf, welche in den Körper gelangen und dort Organfunktionen und das Immunsystem beeinflussen sowie die Schleimhautbarriere des Darms schädigen. (22)Front Med (Lausanne). 2022 Jun 16;9:887044. DOI: 10.3389/fmed.2022.887044
Bedeutung der Integrität der Darmschleimhaut
Das gesunde Darmepithel stellt eine Barriere dar, die das Eindringen von Krankheitserregern in den Körper verhindert. Gleichzeitig ermöglicht sie der selektiven Eintransport der benötigten Nährstoffe (dazu siehe hier).
Die Unversehrtheit (Integrität) der Darmschleimhaut, die den Körper vor Krankheitserregern schützt, wird durch Darmbakterien angegriffen. Dies ist beispielsweise für bestimmte Coli-Bakterien nachgewiesen. (23)Cell Mol Gastroenterol Hepatol. 2016 Oct 22;3(1):41-50. doi: 10.1016/j.jcmgh.2016.10.004. … Continue reading
Die Schleimhautbarriere des Darms ist bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten gestört. Das bedingt Fehlfunktionen bezüglich Verdauung, Resorption und Reparaturmechanismen der Darmzellen und ruft Entzündungsreaktionen hervor.
Eine Hypothese besagt, dass die Störung der Barrierefunktion der Darmschleimhaut der erste Schritt zur Auslösung einer CED darstellt. (24)Cell Mol Gastroenterol Hepatol. 2017 Mar 23;4(1):33-46. doi: 10.1016/j.jcmgh.2017.03.007. … Continue reading In Fällen einer Schleimhautstörung (Epithelverletzung) wird unter normalen Umständen ein Cytokin-Netzwerk von IL-36/IL-23/IL-22 angeregt, das zur Schleimhautheilung führt. Ist dieses Netzwerk defekt (IL-36γ-deficiente Mäuse), so kommt es zu einer verminderten Fähigkeit der Schleimhautheilung und Infektionsabwehr. Interessanterweise führt eine Zufuhr von IL-23 zu einer Schleimhautregeneration und Heilung (25)Proc Natl Acad Sci U S A. 2018 May 29;115(22):E5076-E5085. doi: 10.1073/pnas.1718902115. Epub 2018 … Continue reading .
Bedeutung der Gallensäuren
Das Mikrobiom des Darms wird von der Zusammensetzung der Gallensäuren, die über die Galle den Darm erreichen, erheblich beeinflusst. Das Mikrobiom wiederum beeinflusst die Permeabilität der Schleimhaut, aber über eigene Stoffwechselprozesse auch die Gallensäurezusammensetzung.
Die komplexe wechselseitige Abhängigkeit gelangt bei einer CED in ein pathologisches Gleichgewicht, bei dem die Barrierefunktion der Schleimhaut dauerhaft gestört und für Noxen leicht anfällig wird. (26)Front Med (Lausanne). 2021 Aug 27;8:669913. DOI: 10.3389/fmed.2021.669913 (27)Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2018 Feb;15(2):111-128. DOI: 10.1038/nrgastro.2017.119.
Das Gallensäuremuster, das von den bei einer chronischen Entzündung aufkommenden atypischen Keimspezies gebildet wird, ist bei CED-Patienten gegenüber “normal” verändert. (28)World J Gastroenterol. 2021 Jun 28;27(24):3609-3629. doi: 10.3748/wjg.v27.i24.3609 Es bewirkt, dass die Epithelzellen der Schleimhaut Mediatorstoffen bilden, welche über die Pfortader in die Leber gelangen und dort die Leberzellen zu einer Änderung ihres Stoffwechsels, inkl. einer Änderung der Gallensäurebiosynthese bewegen. (29)Cells. 2022 Mar 5;11(5):901. DOI: 10.3390/cells11050901
→ Zur Funktion von Gallensäuren als Mediatorsubstanzen siehe hier.
Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und Colitis indeterminata
Chronisch entzündliche Prozesse können den gesamten Magendarmkanal befallen.
Makroskopisch lassen sich Colitis ulcerosa (CU) und Morbus Crohn (CD) i.d.R. gut unterscheiden:
- Die Colitis ulcerosa befällt den Dickdarm, meist mit Aussparung des Rektums. Der Endbereich des Dünndarms (das terminale Ileum) kann in eher seltenen Fällen im Sinne einer “back-wash-Ileiitis” (Entzündung durch Rückfluss infektiösen Dickdarminhalts bei undichter Bauhin’scher Klappe) mitbetroffen sein.
- Der Morbus Crohn kann sich im gesamten Magendarmkanal ausbreiten, häufiger findet er sich im Dünndarm als im Dickdarm. Am häufigsten ist der Endbereich des Dünndarms (das terminalen Ileum) betroffen. Es besteht eine Tendenz zur Ausbildung entzündlicher Konglomerate von miteinander verbackener Darmschlingen, sowie von Stenosen und Fisteln. Fistelgänge sind für einen Morbus Crohn (nicht für eine Colitis ulcerosa) typisch. Sie verlaufen häufig zwischen den Darmschlingen oder auch nach außen und können sich stark verzweigen (“Fuchsbau”).
Mikroskopisch finden sich zwischen beiden Erkrankungen nicht immer deutliche Unterschiede. (30)Surg Pathol Clin. 2017 Dec;10(4):841-861. DOI: 10.1016/j.path.2017.07.005. Epub 2017 Sep 28. … Continue reading Unabhängig vom Typ sind immer Plasmazellinfiltrationen erkennbar. Bei klassischer Ausprägung sind folgende Unterschiede erkennbar:
- Bei der Colitis ulcerosa ist die Entzündung auf die Mukosa (Schleimhaut) beschränkt. Epitheloidzellgranulome sind untypisch.
- Beim Morbus Crohn sind alle Wandschichten betroffen. Die Entzündungen enthalten mikroskopisch häufig, aber nicht immer Epitheloidzellgranulome. Sind sie nachweisbar, so spricht dies jedenfalls für einen Morbus Crohn, beweist ihn aber nicht.
Colitis indeterminata: In einigen Fällen kann die chronisch entzündliche Darmkrankheit vor allem im Anfangsstadium noch nicht sicher einer Colitis ulcerosa oder einer Colitis Crohn zugeordnet werden; man spricht dann häufig von einer Colitis indeterminata. Der weitere Verlauf kann die Zugehörigkeit klären. Allerdings zeichnet sich ab, dass auch genetische Marker zur Unterscheidung herangezogen werden können, die die spätere Entwicklung der Diagnose vorhersagen (31)Lancet. 2016 Jan 9; 387(10014): 156–167 (s.o.).
Symptomatik
Das klinische Erscheinungsbild chronisch entzündlicher Darmerkrankungen ist in der Regel durch Stuhlunregelmäßigkeiten gekennzeichnet. Während die Colitis ulcerosa häufig blutig schleimigen Durchfall aufweist, ist der Morbus Crohn eher durch breiige Stühle und krampfartige Bauchschmerzen gekennzeichnet. Der Morbus Crohn neigt zudem zu einer Fistelbildung mit entsprechenden Beschwerden und Symptomen (siehe hier).
Extraintestinale Manifestationen
Sowohl die Colitis ulcerosa als auch der M. Crohn können Beschwerden und Symptome außerhalb des Magendarmkanals hervorrufen. Die häufigsten extraintestinalen Manifestationen sind folgende:
- Hauterscheinungen, wie ein Erythema nodosum oder Pyoderma gangraenosum,
- eine Leberkrankheit mit Gelbsucht (wie die primär sklerosierende Cholangitis, PSC),
- Gelenkbeschwerden und
- Augensymptome (Entzündungen im Form einer Skleritis und Iridozyklitis).
Einteilung
Die Montreal-Klassifikation chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (32)Gut. 2006 Jun;55(6):749-53 (33)Curr Opin Gastroenterol. 2012 Jul;28(4):321-6, die sich weitgehend durchgesetzt hat, unterscheidet
- beim Morbus Crohn Subtypen unter Berücksichtigung der Krankheitslokalisation (Ileum, Kolon, beides, oberer Darm), des Krankheitsverhaltens (Verengung, Penetration, perianale Symptomatik) und des Alters der Manifestation (Grenzen bei 16 und 40 Jahren),
- bei der Colitis ulcerosa Subtypen unter Berücksichtigung der Krankheitsausdehnung im Kolon (Proktokolitis, Linksseitenkolitis, ausgedehnte Kolitis) und der Schwere (asymptomatische, milde, mäßige und schwere Ausprägung nach Stuhlverhalten).
Beim Morbus Crohn lassen sich von der Lokalisation her vor allem zwei Subtypen unterscheiden: einer mit Entzündung im terminalen Ileum (Ileitis terminalis) und einer mit Ausbreitung im Kolon (Colitis Crohn). Beide Typen unterscheiden sich auch genetisch. Varianten des NOD2-Gens sind mit der Ileitis terminalis (34)Gastroenterology. 2002;122:867–874 und solche mit HLA-Allelen (z. B. HLA DRB1*0103) mit der Colitis Crohn (35)Gastroenterology. 2002;122:867–874 assoziiert. Auch davon unabhängige Kombinationen genetischer Varianten, die sich zu Risikoscores zusammenfassen lassen, lassen beide Subtypen recht gut unterscheiden (36)Lancet. 2016 Jan 9; 387(10014): 156–167.
→ Siehe auch unter Colitis ulcerosa und Morbus Crohn.
Diagnostik
Die Diagnostik chronisch entzündlicher Darmerkrankungen stützt sich auf folgenden Untersuchungen:
- Koloskopie mit einem typischen endoskopischen Befund: bei der Colitis ulcerosa findet sich eine kontinuierliche Ausbreitung, die ausschließlich das Kolon betrifft (Ausnahme: back-wash-Ileitis), beim Morbus Crohn eher einen disseminierten oder segmentalen Schleimhautbefall, wobei oft das terminale Ileum, prinzipiell aber der gesamte Darmkanal betroffen sein kann,
- Histologie: bei der Colitis ulcerosa ist die Entzündung auf die Mukosa beschränkt, beim M. Crohn kann sie die Mukosa überschreiten und alle Darmwandschichten umfassen. Beim M. Crohn finden sich oft (dann pathognomonisch) Epitheloidzellgranulome, die bei der C. ulcerosa fehlen.
-
Dünndarmkontrastuntersuchung nach Sellink, alternativ MR-Sellink: beim M. Crohn findet sich der typische Befund einer Stenosierung im terminalen Ileum, bei der C. ulcerosa ist der Dünndarm frei.
- Kapselendoskopie: sie ist dazu geeignet, im Dünndarm Crohn-Läsionen zu finden, die endoskopisch schwierig oder nicht erreichbar sind (Voraussetzung: keine Stenosen, in denen die Videokapsel stecken bleiben kann).
- Laborwerte:
- zum Nachweis von Entzündungs- und Blutungsmarkern: FOBT und Calprotectin,
- zur Abschätzung der Floridität (BSG, CRP, alpha2-Globulin, Fibrinogen).
- Bildgebende Verfahren (CT, MR-Sellink, Darmsonographie, Sonographie der Leber): zum Nachweis von Komplikationen, wie Abszessen und Fisteln und Stenosen und zur Verlaufskontrolle.
- Spezielle immunologische Parameter : pANCA finden sich beim M. Crohn in etwa 20%, bei der Colitis ulcerosa in ca. 65%.
- Antikörper gegen Hefe, Saccharomyces cerevisiae, (ASCA) finden sich beim M. Crohn häufig, seltener bei der Colitis ulcerosa.
- Antikörper gegen Tropomyosin werden bei der Colitis ulcerosa, nicht dagegen beim M. Crohn gefunden.
Neue Entwicklung: MikroRNA zur Diagnostik
miRNA (MikroRNA, miR) lassen sich zur Diagnostik chronisch entzündlicher Darmerkrankungen heranziehen:
- miR31 im Blut ist beispielsweise sowohl bei der Colitis ulcerosa als auch beim Morbus Crohn gegenüber Normalpersonen stark vermindert.
Die miR-Muster lassen sich auch zur Unterscheidung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verwenden:
- miR494 ist bei der Colitis ulcerosa gegenüber dem Morbus Crohn erheblich erhöht (37)BMC Immunol. 2015 Feb 10;16:5. doi: 10.1186/s12865-015-0069-0.
→ Zu Mikro-RNA siehe hier.
Therapie
Die Therapie der chronisch entzündlichen Darmkrankheiten ist je nach Typ und Ausprägung sehr unterschiedlich. Sie wird unter Colitis ulcerosa und Morbus Crohn beschrieben. Heute spielen spezifische rekombinante Antikörper (Biologica) eine zentrale Rolle.
Perspektivisch ergeben sich neue Ansätze zur Therapie, beispielsweise über Beeinflussung des Interleukin- IL-36/IL-23/IL-22-Netzwerks. (38)Proc Natl Acad Sci U S A. 2018 May 29;115(22):E5076-E5085. doi: 10.1073/pnas.1718902115. Epub 2018 … Continue reading Von IL-22 bekannt, dass es die Mukosaabwehr und -reparatur stärkt. (39)World J Gastroenterol. 2014 Dec 28;20(48):18177-88. DOI: 10.3748/wjg.v20.i48.18177. PMID: … Continue reading
Therapie einer Dysbiose: Untersuchungen zur Wirkung in den Darm eingebrachter günstiger Darmkeime (z. B. fäkale Mikrobiota-Transplantationen) zur Behandlung oder Vorbeugung der mit der Crohn-Krankheit assoziierten Dysbiose werden als aussichtsreich betrachtet. (40)Front Med (Lausanne). 2022 Jun 16;9:887044. DOI: 10.3389/fmed.2022.887044.
Zur Behandlung der Cöliakie, die eine Sonderform einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit darstellt, siehe hier.
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Verweise
Patienteninfos
Literatur