Fixierung eines Patienten

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Freiheitsentziehende Maßnahmen, wie die Fixierung eines Patienten, bedeuten einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsrechte der betreuten Person. Sie sind restriktiv zu handhaben und auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.

Indikationen

Freiheitsentzug darf nur angewandt werden

  • bei Gefahr der Selbstschädigung, so auch bei drohendem Suizid,
  • bei Fremdgefährdung,
  • zur Vermeidung einer Sturzverletzung bei hohem Risiko z. B. bei Bewegungsstörungen, Haltungsstörungen, motorischer Unruhe und agitiertem Verhalten,
  • zur Sicherung einer indizierten medizinischen Behandlung, so z. B. zur Verhinderung der Selbstentfernung eines Katheters oder zur Ruhigstellung einer Fraktur als Voraussetzung für deren Heilung.

Voraussetzungen

Voraussetzung für die Anwendung einer freiheitsentziehenden Maßnahme ist die Zustimmung des/der Betroffenen bzw. dessen/deren gesetzlichen Vertreters in Gesundheitsfragen. Dies gilt in Notfällen, muss aber vom Betreuungsgericht bestätigt werden. Die Zustimmung ist erforderlich, wenn über den Notfall hinaus ein Freiheitsentzug regelmäßig bzw. andauernd (d. h. über 2 Tage) erforderlich ist. Eine Zustimmung verpflichtet nicht zum Einsatz der Maßnahmen.

Voraussetzung ist ebenfalls, dass die freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht selbst zu einem erhöhten Gesundheitsrisiko führen, bzw. dass deren Nutzen höher ist als deren Gefährdung. Zu bedenken ist, dass eine der häufigsten Ursachen einer „Fixierung“ eine psychomotorische Unruhe der betreuten Person ist, dass sich jedoch die Unruhe durch Fixierung erheblich verstärken kann. Die Gefährdung durch die freiheitsentziehenden Maßnahmen kann ihren Nutzen überschreiten. Die betreuten Personen sind in jedem Fall angemessen zu überwachen. Zu bedenken ist, dass z. B. falsch angewandte Gurtsysteme zu Todesfällen führen können. Eine Fixierung in häuslicher Umgebung ist daher praktisch nicht durchführbar.

Zu den Voraussetzungen gehört auch eine Fort- und Weiterbildung der betreuenden Personen in der fachgerechten Anlage und Überwachung von freiheitsentziehenden Maßnahmen. Die Gurt- und Fixierungssysteme müssen den Anforderungen der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (§ 5 MPBetreibV) entsprechen. Die Wahl der Fixierungsmethode muss dem Zustand des Patienten angemessen sein (möglichst viel Restbewegungsfreiheit, allerdings ohne Möglichkeit sich strangulieren zu können).

Eine Fixierung muss in ihrem Zeitablauf mit Indikation und Durchführung sorgfältig in der Krankenakte dokumentiert werden, auch mit ihren eventuellen Unterbrechungen.

Ein Gesetzentwurf vom 7.11.2012 besagt, dass nicht einwilligungsfähige psychisch Kranke behandelt werden können; dazu ist die Genehmigung eines Richters einzuholen.

Beruhigung des Patienten

Die Beruhigung des Patienten durch Gespräch steht im Vordergrund und soll eine Fixierung vermeiden helfen. Die medikamentöse Behandlung einer Angststörung (Panikattacke) kann im Einzelfall geboten sein, da Freiheitsentzug zu einer erheblichen Gegenwehr und Verschlimmerung des aufgebrachten Zustands führen kann. Eine Beurteilung durch einen Psychiater ist in diesen akuten Fällen hilfreich.

In Fällen, in denen eine Demenz oder eine andere psychische Erkrankung zur Unruhe führt, kann eine Fixierung ebenfalls zu einer Verstärkung der Unruhe führen, die dadurch in eine gefährliche Aktivität umschlagen kann. Aus einer an sich harmlosen Unruhe kann durch Fixierung eine Gefährdungssituation entstehen. Alleine das Gefühl, sich nicht mehr Kratzen zu können, wenn es an der Nase juckt, regt auf. Dies sollte bei der Indikation zur Fixierung und der Art der Fixierung immer bedacht werden. Oft werden erst durch nicht fachgerechte Indikation und Durchführung zusätzliche medikamentöse Maßnahmen zur Beruhigung erforderlich.

Wenn eine Fixierung angelegt wird, sollte das beruhigende Gespräch begleiten (keine Bestrafung; Schutz vor Verletzung; Lockerung sofort wenn möglich; wir sind immer bei Ihnen …)

Literatur, Leitfäden

Hilfestellung zur Entscheidung zu freiheitsentziehenden Maßnahmen finden sich in folgenden Veröffentlichungen:

  • Leitfaden des Bayerischen Landespflegeausschusses: Vorschläge für Arbeitshilfen. In: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (ed.): Verantwortungsvoller Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege. Hof/Saale: Mintzel-Druck 2009; 52–63.
  • DVD: Eure Sorge fesselt mich – Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege. In: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (ed.).
  • Berzlanovich AM, Schöpfer J, Keil W: Deaths due to physical restraint.
  • Dtsch Arztebl Int 2012; 109(3): 27–32. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0027

Vermeidung von gewaltsamer Fixierung

Internationale Richtlinien empfehlen inzwischen, dass die Anwendung von Fesseln bei psychiatrischen Patienten vermieden werden sollte. Die körperliche Fixierung entspricht nicht den Menschenrechten, da sie die persönliche Freiheit einschränkt. Sie kann dazu führen, dass Patienten Verletzungen erleiden oder daran sterben. Der Verzicht auf Zurückhaltung ist jedoch eng mit der Verfügbarkeit von Ressourcen verbunden.

Eine Untersuchung ergab Gründe, weshalb eine gewaltsame Fixierung immer wieder angewendet wird. Es werden folgende Punkte aufgeführt: (1) ungeeignete Einrichtungen; (2) personelle Unterbesetzung in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, die in der Regel auf eine hohe Fluktuationsrate zurückzuführen ist; (3) beruflicher Burnout (hoher berufsbedingter Stress, der häufig zu psychischer und physischer Erschöpfung führt), der insbesondere in psychiatrischen Einrichtungen weit verbreitet ist; (4) unzureichend ausgebildete Fachkräfte, die daher nicht in der Lage sind, mit unruhigen oder aggressiven Patienten umzugehen. 1

Eine italienische Arbeitsgruppe trägt zusammen, wie eine Betreuung ohne Fixierung oder Gewaltanwendung durchgeführt werden kann (Psychiatry Clin Psychopharmacol. 2021 Dec 1;31(4):468-473. doi: 10.5152/pcp.2021.21237()). „Die wissenschaftliche Forschung empfiehlt nachdrücklich eine solide Ausbildung des Personals, um Gewaltausbrüche zu verhindern, indem sie lehrt, wie man die Anfangsstadien solcher Krisen erkennt.“ „Krankenschwestern müssen ihren Patienten nahe sein, ihr Vertrauen gewinnen, sinnvolle Verhaltensweisen beobachten, um herauszufinden, welche Faktoren das dysfunktionale Verhalten ausgelöst haben, und um festzustellen, welche Verhaltensweisen möglicherweise eine Fixierung des Patienten durch das Gesundheitspersonal erfordern.“ „In der wissenschaftlichen Literatur werden verschiedene Methoden beschrieben, um die Bewegungsfreiheit des Patienten im Bett einzuschränken: ausgehöhlte Matratze, Wasserbett, zusammengerollte Decken an den Rändern. Andere Maßnahmen zielen darauf ab, nachteilige Folgen eines versehentlichen Sturzes zu vermeiden: weiche Teppiche auf dem Boden neben dem Bett, der Patient muss sich auf eine auf dem Boden liegende Matratze legen, oder die Höhe des Bettes muss auf ein Minimum reduziert werden.“ Weitere Punkte sind, dem Patienten ein besseres Verständnis für seine Krankheit und die Therapie zu vermitteln, ihm Stressabbau zu ermöglichen und sein Vertrauen in Schwestern und Ärzte stärken.

Diese Vorschläge sind allerdings in Notsituationen, in denen ein Patient sich selbst und andere Menschen gefährdet, nicht erfolgversprechend anwendbar. In diesen Fällen kann eine ärztliche und ggf. auch richterliche Entscheidung zu einer Fixierung, ggf. verbunden mit einer medikamentösen antipsychotischen Therapie erforderlich werden.


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Verweise

Referenzen

  1. Int J Ment Health Syst. 2013;7(1):28. 10.1186/1752-4458-7-28[]