Antihistaminika dämpfen eine übermäßige Wirkung von Histamin im Körper und werden zur Behandlung von Allergien, Überempfindlichkeitsreaktionen und einer Überproduktion von Magensäure eingesetzt. Neu entdeckte Wirkungen über spezielle Rezeptoren betreffen auch das Immunsystem und Hirnfunktionen.
Inhaltsverzeichnis
Histamin
Histamin ist eine biologische Substanz, die im Körper an vielen Stellen gebildet wird und vielfältige Wirkungen entfaltet. Histamin aus Mastzellen und basophilen Leukozyten führen zu allergischen und lokalen Immunreaktionen und löst Juckreiz aus. Es spielt bei Entzündungen eine verstärkende Rolle. Im Gehirn und am Uterus wirkt es als Neurotransmitter und im Magen vermittelt es die Bildung von Magensäure.
Die vielfältigen Wirkungen und Indikationen ergeben sich aus der unterschiedlichen Eigenschaften verschiedener Rezeptoren. Inzwischen sind vier G-gekoppelte Proteinrezeptoren (GPCRs) bekannt, die Histamin als Liganden verwenden (H1R, H2R, H3R, H4R). Gegen jeden dieser Rezeptoren sind spezielle Antihistaminika entwickelt worden. (1)Int J Mol Sci. 2022 Jun 13;23(12):6579. doi: 10.3390/ijms23126579. (2)Br J Pharmacol. 2006 Jan;147 Suppl 1(Suppl 1):S127-35. doi: 10.1038/sj.bjp.0706440
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H1-Rezeptoren und H1-Antihistaminika
H1-Rezeptoren (H1R) vermitteln folgende Wirkungen:
- Verengung der Atemwege (Bronchokonstriktion),
- Gefäßerweiterung (Vasodilatation; über Erhöhung der Produktion von NO),
- Kontraktion des Ileums.
H1-Antihistaminika sind beispielsweise Azelastin, Cetrizin, Fexofenadin und Clemastin. Sie dämpfen die Histaminwirkungen über den H1-Rezeptor und werden zur Behandlung von allergischen Reaktionen und mastzellbezogenen Erkrankungen eingesetzt. Nebenwirkung kann Müdigkeit sein.
H2-Rezeptoren und H2-Antihistaminika
H2-Rezeptoren: Dieser Typ (H2R) vermittelt folgende Wirkungen:
- Anregung der Magensäurebildung,
- Entspannung der glatten Muskulatur (an Magendarmtrakt, Blutgefäßen),
- Immunmodulation (Hemmung der Antikörpersynthese,
- T-Zell-Proliferation und Cytokinproduktion),
- Beschleunigung des Herzrhythmus.
H2-Antihistaminika sind beispielsweise Cimetidin, Ranitidin, Famotidin, Nizatidin. Sie dämpfen die Histaminwirkungen über den H2-Rezeptor. Nebenwirkung kann Müdigkeit sein. Desloratadin ist ein nicht sedierendes Antihistaminikum der zweiten Generation.
H3-Rezeptoren und ihre Hemmer
H3-Rezeptoren (H3Rs) fungieren im Gehirn als Autorezeptoren an histaminergen Synapsen. H3-Rezeptorenblocker hemmen die sedierende Wirkung von Histamin an H1-Rezeptoren und wirken daher stimulierend.
Funktionen: H3Rs werden in der Großhirnrinde, den Basalganglien und im Hippocampus stark exprimiert und regulieren eine Reihe von Neurotransmittern, darunter Acetylcholin, Noradrenalin, GABA und Dopamin. Sie beeinflussen verschiedene Funktionen, wie Kognition (Wahrnehmungsprozesse), den Schlaf und die vegetativen Funktionen im Körper.
H3R-Hemmer: Hemmstoffe des H3R, wie Thioperamid, Pitolisant oder Ciproxifan, beeinflussen diese Funktionen. Ihre therapeutische Perspektive ist noch nicht ausgelotet. Möglichkeiten werden in der Behandlung bestimmter Demenzformen und Schlafstörungen gesehen. Histamin-H3R-Antagonisten rufen zudem im Hypothalamus ein Sättigungsgefühl hervor und bewirken bei adipösen Personen eine Abnahme des Körpergewichts und der Triglyceride im Blut. Daher wird auch eine Bedeutung bei der Behandlung von Störungen des Zuckerstoffwechsels (Prädiabetes, Diabetes) vermutet. (3)Biomed Pharmacother. 2022 Jun;150:112947. DOI: 10.1016/j.biopha.2022.112947 Auch bei Abhängigkeitskrankheiten können H3R-Hemmer möglicherweise günstig wirken. (4)Curr Top Behav Neurosci. 2022;59:169-191. doi: 10.1007/7854_2022_372 Eine weitere Eigenschaft besteht in der Fähigkeit einiger H3R-Hemmer bezüglich Reduktion epileptischer Anfälle. Einige der H3R-Liganden werden als Kandidaten für eine Behandlung der Epilepsie und weiterer neurologischer Krankheiten angesehen. (5)Bioorg Med Chem Lett. 2013 Sep 1;23(17):4886-91. doi: 10.1016/j.bmcl.2013.06.075 (6)Molecules. 2021 Apr 15;26(8):2300. doi: 10.3390/molecules26082300
H4-Rezeptoren und ihre Hemmer
Der Histamin-H4-Rezeptor (H4R) wurde nicht über seine Funktion, sondern in Genomdatenbanken als Klasse-A-G-Protein-gekoppelter Rezeptor entdeckt, der Histamin bindet und eine Homologie zu anderen Histaminrezeptoren aufweist. Seine Funktion ist erst später aus der Kenntnis abgeleitet, dass er ziemlich selektive im Knochenmark und auf hämatopoetischen Zellen zu finden ist, die an Entzündungs- und Immunreaktionen beteiligt sind. (7)Front Pharmacol. 2015 Mar 31;6:65. DOI: 10.3389/fphar.2015.00065
H4-Rezeptorantagonisten sind in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt, da sie neue Optionen zur Behandlung von Juckreiz und Entzündungen versprechen. Allerdings sind bei präklinischen und klinischen Studien immer wieder bedeutende Nebenwirkungen, wie beispielsweise eine Agranulozytose, aufgetreten. Toreforant ist eine neue Entwicklung, die diese Nebenwirkung nicht zu haben scheint. In Studien an Patienten mit rheumatoider Arthritis, Asthma oder Psoriasis zeigte es allerdings nur eine beschränkte oder keine Wirksamkeit. (8)Inflamm Res. 2019 Apr;68(4):261-274. doi: 10.1007/s00011-019-01218-y (9)Ann Allergy Asthma Immunol. 2018 Nov;121(5):568-574. DOI: 10.1016/j.anai.2018.08.001 (10)J Drugs Dermatol. 2018 Aug 1;17(8):873-879. PMID: 30124726.
Verweise
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Literatur