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Das Wichtigste verständlich
Empagliflozin ist ein Medikament zur Behandlung der Zuckerkrankheit, speziell des Altersdiabetes (Typ-2-Diabetes). Es gehört zur Gruppe der SGLT-2-Hemmer und wirkt über die Steigerung der Zuckerausscheidung über die Nieren. Medikamente dieser Substanzklasse senken den HbA1c-Wert durchschnittlich um 0,7 %. (1)Geriatr Psychol Neuropsychiatr Vieil. 2021 Dec 16. doi: 10.1684/pnv.2021.0987. Sie senken den oxidativen Stress und die entzündlichen Reaktionen im Körper und schützen Herz, Nieren und Gehirn. (2)Mol Metab. 2022 Jul 18;64:101549. doi: 10.1016/j.molmet.2022.101549 (3)Front Neurol. 2022 Jun 21;13:823569. doi: 10.3389/fneur.2022.823569
Empagliflozin senkt den Blutzucker, das HbA1c und das Körpergewicht und reduziert die Sterblichkeit (Mortalität) bei Hochrisikopatienten mit Diabetes. Es wirkt unabhängig von seinem Zucker-senkenden Effekt positiv auf die Mikrozirkulation des Bluts von Organen. So schützt es das Herz, die Nieren und das Gehirn vor diabetischen Folgeschäden. Es senkt das Risiko einer Verschlechterung einer koronaren Herzkrankheit, selbst wenn eine Zuckerkrankheit nicht vorliegt. Günstig ist die geringe Nebenwirkungsrate. Das Risiko einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) ist nur gering erhöht. Harnwegsinfekte können auftreten (begünstigt durch die Zuckerausscheidung), und mit einer erhöhten Urinproduktion (Pollakisurie) ist zu rechnen. Empagliflozin bietet sich zur Einzel- als auch zur Kombinationstherapie mit anderen Antidiabetika an (Zulassungsbestimmungen beachten). |
Wirkprinzipien
Blutzuckersenkung
Empagliflozin ist, wie auch Dapagliflozin, Ipragliflozin und Canagliflozin, ein Hemmer des Natriumglucose-Cotransporters-2 (Sodium glucose transport protein 2 inhibitors (SGLT2i).
- Blutzucker, Urinzucker: Glukose wird in den Nieren in den Primärharn filtriert und normalerweise anschließend über SGLT-2 in den Tubuli wieder in die Blutbahn rückresorbiert. Empagliflozin hemmt diesen Prozess, was einerseits zu einer vermehrten Glukoseausscheidung über den Urin (Glukosurie) und andererseits zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels und auf Dauer des HbA1c führt. Das Risiko einer Hypoglykämie scheint dadurch nicht erhöht zu werden (s. u.).
- Körpergewicht: Unter Empagliflozin kommt es, wahrscheinlich durch die ständige Nachproduktion von Glukose (Katabolismus) mitbedingt, zu einem Absinken des Körpergewichts.
- Insulinresistenz: Die Verbesserung des Blutzuckerspiegels und die Gewichtsabnahme haben laut Einschätzung der Ergebnisse das Potenzial, die Insulinresistenz zu verbessern. (4)J Diabetes Investig. 2014 May 4;5(3):265-75
- Arteriosklerose: Die Verbesserung des Blutzuckers unter Behandlung mit Empagliflozin führt zu einer messbaren Abnahme der arteriellen Steifheit, die bei Diabetikern im Rahmen der lang dauernden Hyperglykämie eintritt und zur Mikro- und Makrovaskulopathie, Hypertonie und Arteriosklerose prädestiniert (5)Cardiovasc Diabetol. 2014 Jan 29;13:28. doi: 10.1186/1475-2840-13-28 (siehe hier).
Ergebnisse aus Tierversuchen
In Tierexperimenten an db/db-Mäusen senkte Empagliflozin kontinuierlich den Blutzucker über den Beobachtungszeitraum von 10 Wochen, verlangsamte signifikant die Progression der Komplikationen an den Blutgefäßen (Arteriosklerose), die interstitielle Fibrose des Herzens, die Verdickung der Koronararterienwände und die Verschlechterung der Gefäßelastizität, sowie die Verschlechterung der glomerulären Funktion der Nieren (messbar an der Albuminurie). Zudem wurde unter Empagliflozin die Diabetes-assoziierte Verschlechterung der Hirnleistungsfähigkeiten (kognitive Verschlechterung im Wasserlabyrinth-Test) vermindert. (6)Cardiovasc Diabetol. 2014 Oct 26;13(1):148.
Studienergebnisse
Die Phase-IIb-Studie von Empagliflozin über 12 Wochen an Typ-2-Diabetikern zeigte folgende Ergebnisse (7)Diabetes Obes Metab. 2013 Aug;15(8):721-8:
- Nüchternblutzucker: Senkung
- bei 5 mg um -1,29 mmol/l,
- bei 10 mg um -1,61 mmol/l,
- bei 25 mg um -1,72 mmol/l.
- Senkung des Körpergewichts bei allen Dosen signifikant gegenüber Placebo.
- Unerwünschte Effekte 29,1% vs. 32,9% bei Placebo.
- Häufigste Nebenwirkung: 3,3% Pollakisurie (Harnflut), Durst (3,3%), Nasenreizung (2%), Harnwegsinfektion (1,6%, gering erhöhtes Risiko wegen Glukosurie), genitale Infektionen (2%).
Die Phase-III-Studie (8)Lancet Diabetes Endocrinol. 2013 Nov;1(3):208-19zur Wirkung von Empagliflozin bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, die zuvor noch keine andere Medikation erhalten hatten, zeigte nach 24 Wochen bei einer täglichen Dosis von 10 mg gegenüber Placebo eine Reduktion des HbA1c um -0,74%, bei einer Dosis von 25 mg um -0,85% und zum Vergleich um -0,73% bei täglich 100 mg Sitagliptin. Nebenwirkungen traten bei 55% in der 10mg-Gruppe, bei 60% in der 25mg-Gruppe, bei 53% in der Sitagliptin-Gruppe und bei 61% in der Placebogruppe auf.
Die Phase-III-Studie (Sept. 2014 (9)Lancet Diabetes Endocrinol. 2014 Sep;2(9):691-700 ) zur Wirkung von Empagliflozin als Add-On zu Metformin zeigte, dass Empagliflozin einer Begleitmedikation von Glimepirid (z. B. Amaryl ®) nicht unterlegen war. In Woche 104 lag der HbA1c-Wert -0,11% tiefer als bei Glimepirid. Unerwünschte Wirkungen und schwere unerwünschte Wirkungen traten bei beiden Medikamenten gleich häufig auf (je 86% und 9%). Ernsthafte Nebenwirkungen traten in 16 % der Empagliflozin-Gruppe und in 11% der Glimepirid-Gruppe auf. Im Beobachtungszeitraum (bis Woche 104) traten Hypoglykämien (Glukose unter 4 mmol/l) bei 19/769 (2%)) in der Empagliflozin-Gruppe und bei 189/780 (24%) in der Glimepirid-Gruppe auf.
Eine Japanischen Langzeitstudie über 52 Wochen (10)Diabetes Obes Metab. 2015 Mar 16. doi: 10.1111/dom.12464 zeigte, dass Empagliflozin als add-on-Therapie zu anderen oralen Antidiabetika (Biguanide, Sulfonylharnstoffe, Thiazolidine, Alpha-Glukosidasehemmer, DPP-4-Hemmer) in 67,6 – 84,6 % zu Nebenwirkungen, vor allem Harnwegsinfekte, führte. Das HbA1c nahm um -0,77 bis -1,0 gegenüber den Ausgangswerten (7,5 bis 8,6) ab. Hypoglykämien traten in 4,4 und 6,6 % bei Kombination von 10 bzw. 25 mg Empagliflozin mit Sulfonylharnstoffen und 2,9% bei Kombination mit anderen oralen Antidiabetika auf.
Schutz von Herz und Nieren
Unabhängig vom Blutzucker senkenden Effekt und seinen günstigen Auswirkungen übt Empagliflozin einen weiteren erwünschten Effekt aus. Es schützt die Durchblutung der kleinsten Gefäße in Herz und Nieren, und damit vor deren funktioneller Verschlechterung im Rahmen einer diabetischen Mikroangiopathie. So vermag es der Entwicklung einer Herzinsuffizienz und einer diabetischen Nephropathie und Niereninsuffizienz entgegenzuwirken. Es reduzierte das Risiko, aus kardiovaskulärer Ursache zu sterben, um 29 %. (11)Circulation. 2018 Jan 9;137(2):119-129. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.117.028268. Es senkte in einer Studie die Rate einer Verschlechterung der Nierenfunktion gegenüber Placebo von 18,8 % auf 12,7 %. (12)N Engl J Med. 2016 Jul 28;375(4):323-34. doi: 10.1056/NEJMoa1515920.
Studie an Diabetespatienten mit hohem Risiko für Herzkreislaufkomplikationen: Eine große Studie an Patienten mit Diabetes mellitus und hohem Risiko für Herzkreislaufkomplikationen zeigt, dass die zusätzliche Gabe von Empagliflozin zur Standardtherapie die Mortalität wegen Herzkreislaufkomplikationen (z. B. Herzinfarkt) im Beobachtungszeitraum von im Mittel 3,1 Jahren signifikant senkt. Sie lag bei 3,7% im Vergleich zu 5,9% der Kontrollgruppe, was einer 38%igen Reduktion des Mortalitätsrisikos entspricht. Genitalinfektionen traten vermehrt auf, die Rate sonstiger Komplikationen entsprach sich in beiden Gruppen (13)N Engl J Med 2015; 373:2117-2128.
Studien an Herzpatienten: Empagliflozin verbesserte in der EMPEROR-Reduced-Studie den Verlauf einer chronischen Herzkrankheit mit eingeschränkter Ejektionsfraktion (Pumpleistung) bezüglich kardiovaskulärer und renaler Komplikationen (Herzinsuffizienz und Niereninsuffizienz) – und zwar unabhängig davon, ob eine diabetische Stoffwechsellage vorlag oder nicht. (14)J Am Coll Cardiol. 2021 Jan 26;77(3):243-255. DOI: 10.1016/j.jacc.2020.11.008. Epub 2020 Nov 13. … Continue reading Eine weitere Studie zeigte, dass es ein Schutzeffekt auch bei noch nicht eingetretener Verminderung der Herzleistung besteht. Bei 5988 nicht zuckerkranker Patienten mit einer erhaltenen Ejektionsfraktion von >40% bewirkte Empagliflozin (ein Hemmstoff der Glukoserückgewinnung in der Niere) eine Verringerung von Tod oder Krankenhausaufnahme von 17,1% (Placebogruppe) auf 13,8% innerhalb einer mittleren Beobachtungszeit von 26,2 Monaten. (15)N Engl J Med 2021; 385:1451-1461 DOI: 10.1056/NEJMoa2107038
Schutz vor oxidativem Stress
Eine der Gründe für die günstige Wirkung von Empagliflozin besteht darin, dass es die (beim Diabetes gefährdete) Durchblutung der kleinsten Gefäße über eine günstige Beeinflussung der Mitochondrien sichert. (16)Science Redox Biology Volume 15, May 2018, Pages 335-346 https://doi.org/10.1016/j.redox.2017.12.019 Es vermindert den oxidativen Stress der Gefäßendothelien und fördert die Gefäßneubildung (Angiogenese). (17)Redox Biol. 2018 May;15:335-346. doi: 10.1016/j.redox.2017.12.019
Anstieg des Schlaganfallrisikos?
Da Empagliflozin einen Schutzeffekt auf Herz und Nieren ausübt, sollte anzunehmen sein, dass es auch bezüglich einer Schlaganfallvorbeugung günstig wirkt. In Studien dagegen wird eine leichte Zunahme der Schlaganfallhäufigkeit festgestellt. Möglicherweise lässt sie sich mit einer leichten Anhebung des Hämatokrits (Blutverdickung) erklären, der unter einer vermehrten Glukoseausscheidung eintritt. (18)J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2017 Mar;88(3):249-253. doi: 10.1136/jnnp-2016-314704. In einer Studie konnte das nicht bestätigt werden. (19)Stroke. 2021 May;52(5):1545-1556. DOI: 10.1161/STROKEAHA.120.031623 . Epub 2021 Apr 20. PMID: … Continue reading
Bewertung
Empagliflozin wird als ein Medikament mit guter Wirkung auf die glykämische Kontrolle (Erreichung einer guten Blutzuckerkontrolle) mit einem nur sehr geringen Hypoglykämierisiko beurteilt, welches gleichzeitig die Gewichtsabnahme und die Blutdruckkontrolle fördert. Es soll mit praktisch allen anderen Antidiabetika kombinierbar und in fast jedem Stadium des Typ-II-Diabetes einsetzbar sein (jeweils aktuelle Zulassungsbeschränkungen sind zu beachten!) (20)Expert Opin Pharmacother. 2014 Nov;15(16):2429-41. Als Zusatz zur Standardtherapie reduzierte Empagliflozin die Mortalität von Diabetespatienten, die ein hohes Risiko für Herzkreislaufkomplikationen hatten. (21)Circulation. 2018 Jan 9;137(2):119-129. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.117.028268. (22)Geriatr Psychol Neuropsychiatr Vieil. 2021 Dec 16. DOI: 10.1684/pnv.2021.0987
Nebenwirkungen
Als Nebenwirkungen werden in den verschiedenen Studien beschrieben: Vermehrtes Wasserlassen durch vermehrte Glukoseausscheidung, selten Hypoglykämie (in Kombination mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin), Genital- und Harnwegsinfektionen, Juckreiz.
In seltenen Fällen kann eine Ketoazidose im Rahmen einer Behandlung mit Empagliflozin entstehen. In diesen Fällen besteht – anders als bei einer diabetischen Ketoazidose durch Insulinmangel – ein normaler Blutzucker (normoglykämische Ketose) (23)Endocrine. 2017 Apr;56(1):212-216. doi: 10.1007/s12020-017-1264-y. In solchen Fällen kann ein latenter Autoimmundiabetes des Erwachsenen entdeckt werden. (24)J Med Case Rep. 2021 Feb 14;15(1):62. DOI: 10.1186/s13256-020-02607-2. PMID: 33581735; PMCID: … Continue reading
Die FDA warnte 2018 davor, dass in seltenen Fällen unter der Behandlung mit SGLT2-Hemmern schwerwiegende Infektionen im Genitalbereich (nekrotisierende Fasziitis) auftreten können. (25)FDA-Warnung: Empagliflozin-Nebenwirkung Die Inzidenz ist laut einer Metaanalyse jedoch sehr gering. (26)Diabetes Obes Metab. 2020 Feb;22(2):272-275. doi: 10.1111/dom.13900. Epub 2019 Nov 20. PMID: … Continue reading
Indikationen
Empagliflozin kann zu Blutzuckerkontrolle von Typ-2-Diabetes verwendet werden, und zwar als Monotherapie, wenn die Blutzuckereinstellung alleine durch Diät und Bewegung nicht ausreichend möglich ist, sowie in Kombination mit anderen Antidiabetika. Eine der Indikationen kann die Blutzuckerkontrolle bei Patienten bei Metformin-Unverträglichkeit sein.
Die Behandlung einer Herzinsuffizienz unabhängig vom Vorliegen einer Zuckerkrankheit scheint nach Studienlage (s. o.) eine neue Therapieindikation sein zu können.
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Verweise
Literatur