Therapie des Morbus Wilson

Artikel aktualisiert am 27. April 2024

Die Therapie des Morbus Wilson basiert grundsätzlich auf diätetischen und medikamentösen Maßnahmen:

  • Entfernung überschüssigen Kupfers aus dem Körper mit Chelatbildnern wie D-Penicillamin oder Trientin und
  • Hemmung der Kupferaufnahme aus dem Darm durch Zinksalze,
  • Reduktion einer eventuell erhöhter Kupferbelastung durch Trinkwasser oder Ernährung,
  • Lebertransplantation im Fall einer akuten Leberdystrophie (Wilson-Krise) oder einer Leberzirrhose im Endstadium.

Unter langfristiger Behandlung können sich neurologische Symptome rückläufig entwickeln. Ein krankheitsassoziierter Hypopituitarismus (Hypophysenunterfunktion) mit seinen hormonellen Ausfallsymptomen (inkl. Unterfunktion der Schilddrüsen und der Gonaden) kann sich bessern. (1)Endocrinol Diabetes Metab Case Rep. 2021 Jan 11;2021:20-0086. DOI: 10.1530/EDM-20-0086 (2)J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2018 Feb;66(2):334-344. doi: 10.1097/MPG.0000000000001787.

Diät


Grundlage der Therapie ist eine kupferarme Diät. Ein gesunder Erwachsener braucht eine tägliche Zufuhr von 0,5–2 mg Kupfer. Alleine Trinkwasser, welches bis 0,2 mg/l Kupfer enthalten kann, würde für eine großen Teil der notwendigen Zufuhr herhalten. Daher wird empfohlen, bei der Anbehandlung gepüft reines Wasser zu verwenden. (3)Front Cell Dev Biol. 2022 Dec 21;10:1091580. DOI: 10.3389/fcell.2022.1091580

Zu vermeiden sind kupferreiche Nahrungsmittel, vor allem Schokolade, Trockenfrüchte, Tierleber, Pilze, Nüsse, Mehrkornbrot und Schalentiere. Austern beispielsweise enthalten 16 mg kg-1 und Schafleber 157 mg kg-1 Kupfer. Auch rote Bohnen und schwarze Bohnen enthalten sehr viel Kupfer.

Der Kupfergehalt von Sojabohnen und Tofu dagegen ist nicht hoch, ebenso der von poliertem Reis, Weißmehl, helles Gemüse, Obst, magerem Fleisch, Geflügelfleisch, Eier und Süßwasserfisch mit niedrigem Kupfergehalt. (4)Front Cell Dev Biol. 2022 Dec 21;10:1091580. DOI: 10.3389/fcell.2022.1091580

Eine diätetische Beratung ist unabdingbar.

Medikamente

Folgende Medikamente werden bei der Behandlung des Morbus Wilson verwendet: (5)Sci Prog. 2013;96(Pt 1):19-32 (Dosierungsangaben dürfen nicht ungeprüft übernommen werden!)

D-Penicillamin (Mittel der ersten Wahl)

D-Penicillamin ist ein Mittel, das Kupfer komplexiert (Chelatbildner) und damit löslich und ausscheidungsfähig macht. Es wirkt über eine Erhöhung der Kupferausscheidung im Urin.

Nebenwirkungen: Eine Reihe von Nebenwirkungen sind zu beachten. Dazu gehören toxische und allergisch-hypererge Reaktionen, Wundheilungsstörungen, Anti-Vitamin-B6-Wirkung, Verschlechterung der (besonders neurologischen) Symptome zu Beginn der Therapie (bei 10-20% der Erkrankten).

Dosierung: zu Beginn 20-30 mg/kg KG/Tag in drei Einzeldosen vor den Mahlzeiten; nach Besserung: 10-15 mg/kg KG/Tag; Dauermedikation (meist nach 4-6 Monaten, wenn die 24-Stunden-Kupferausscheidung unter 500 µg gesunken ist): 7,5 mg/kg KG/Tag; bei bestehender Schwangerschaft: 5-7,5 mg/kg KG/Tag.

Regelmäßige Kontrollen der Kupferausscheidung im Urin.
Zur Therapie des manchmal symptomatischen Vitamin-B6-Mangels wird 25 mg/d Pyridoxin empfohlen.

Medikamente bei Leberkrankheiten

Trientine

Trientine ist ebenfalls ein Chelatbildner, der die Kupferausscheidung über den Urin erhöht.

Indikation: Unverträglichkeit von d-Penicillamin.
Nebenwirkungen: ähnlich denen des Penicillamins, aber seltener (auf Eisenmangel achten!).

Dosierung: zu Beginn: 3×600 mg/Tag; bei Besserung: 2×600 mg/Tag

Regelmäßige Kontrollen der Kupferausscheidung im Urin.

Zink

Zink wirkt über eine Hemmung der Kupferaufnahme im Darm.

Indikationen: Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Kupferbilanz nach anfänglicher Kupferausschwemmung mit D-Penicillamin; Indikation auch bei präsymptomatischen Patienten (keine klinischen Symptome durch Leberzirrhose oder Beteiligung des zentralen Nervensystems), sowie bei bestehender Schwangerschaft. Nebenwirkungen sind nicht bekannt.

Dosierung: 3 mg/kg KG/Tag verteilt auf drei Einzeldosen; verträglicher sind Zinkazetat, Zinkorotat oder Zinkhistidin.

Urinkontrollen.

Lebertransplantation

Eine Lebertransplantation führt zur definitiven Heilung. Als Indikationen kommen in Frage das akute Leberversagen, die dekompensierte Leberzirrhose und eine wegen Nebenwirkungen nicht durchführbare medikamentöse Therapie.

Eine frühzeitige Lebertransplantation mit einer Lebendspende hat Vorteile; in einer Studie waren nach 5 Jahren 100% der frühzeitig Transplantierten am Leben geblieben.

Bei einer akuten Wilson-Krise kann eine Hämofiltration und ein Plasmaaustausch die Zeit bis zur Transplantation überbrücken helfen. (6)Intern Med. 2003 Oct;42(10):967-70. doi: 10.2169/internalmedicine.42.967.

Prognose

Bei Beginn der Therapie im Frühstadium der Erkrankung ist die Lebenserwartung nicht eingeschränkt. In späteren Stadien bei schon bestehenden irreversiblen Schäden kann die Progredienz der Erkrankung durch die Therapie aufgehalten werden. (7)Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2022 Feb-Mar;56-57:101768. doi: 10.1016/j.bpg.2021.101768

Neue Entwicklungen

Es zeichnen sich Fortschritte in der Behandlung der Wilson-Krankheit durch eine Gentherapie und durch Stammzellen ab. (8)World J Hepatol. 2021 Jun 27;13(6):634-649. DOI: 10.4254/wjh.v13.i6.634 . (9)Appl Clin Genet. 2017 Jan 13;10:9-19. doi: 10.2147/TACG.S79121. eCollection (10)Zhonghua Gan Zang Bing Za Zhi. 2021 Jan 20;29(1):21-24. Chinese. DOI: … Continue reading (11)Hum Gene Ther. 2019 Dec;30(12):1494-1504. DOI: 10.1089/hum.2019.148

Stammzelltherapie: Eine Stammzelltherapie korrigiert prinzipiell den genetischen Defekt, ebenso wie eine Lebertransplantation. Sie ist Gegenstand der Forschung. (12)Curr Stem Cell Res Ther. 2022;17(8):712-719. doi: 10.2174/1574888X16666211006111556

Gentherapie: Das Prinzip beruht auf der zielgerichteten Einbringung des gesunden Gens (Kupfer-transportierende P-type ATPase, Atp7b) über einen Vektor (ein Virus, welches die Leberzellen ansteuert) in das Blut des Wilson-Kranken. (13)Nat. Rev. Drug Discov. 2019; 18, 358–378 Es wurd im Tierversuch getestet; die behandelten Kupfer-speichernden Ratten zeigten eine deutliche Reduktion der Leberveränderungen und keine Vernarbung. Die Autoren propagieren eine frühzeitige gentherapeutische Behandlung für betroffene Menschen. (14)Hum Gene Ther Clin Dev. 2019 Mar;30(1):29-39. DOI: 10.1089/humc.2018.219 (15)Mol Ther Methods Clin Dev. 2022 Oct 21;27:293-294 (16)JHEP Rep. 2021 Oct 30;4(1):100389. doi: 10.1016/j.jhepr.2021.100389

Verweise

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