Protonenpumpenblocker

Das Wichtigste verständlich

Protonenpumpenblocker (Säureblocker, H2-Blocker, Protonenpumpeminhibitoren, abgekürzt PPI) sind Medikamente, die bei Krankheiten oder Beschwerden des Magens eingesetzt werden. Sie senken die Säurebildung in der Magenschleimhaut und tragen zur Heilung Säure-abhängiger Erkrankungen bei, wie dem Magen- und Zwölffingerdarmgeschwür oder der Refluxkrankheit.

Funktionen und Wirkungen:

  • Protonenpumpenhemmer (PPI) hemmen die Magensäuresekretion im Fundus des Magens. (Zur Funktion der Magenschleimhaut siehe auch hier.) Die verminderte Magensäure führt zu einer verminderten Eiweißverdauung, denn das eiweißverdauende Enzym des Magens (Pepsin) benötigt saures Milieu für seine Aktivität.
  • Sie gehören zu den Medikamentenkombinationen zur Eradikation (Entfernung) des Magenkeims Helicobacter pylori.
  • PPI erhöhen den pH-Wert im Magen. Da eine Hauptfunktion des Magensaftes darin besteht, verschluckte Mikroorganismen abzutöten, erhöhen sie damit die Anfälligkeit für Infektionen. Dies ist für Infektionen mit Clostridium difficile nachgewiesen worden. (1)Pathogens. 2022 Jul 8;11(7):781. DOI: 10.3390/pathogens11070781
  • PPI heben den Magen-pH an und lösen damit eine Gegenregulation durch vermehrte Bildung des Hormons Gastrin aus. Da Gastrin das Schleimhautwachstum anregt (trophischer Effekt), kann eine Dauerbehandlung des Magens mit PPI (über eine Dauerstimulation einer reaktiven Gastrinproduktion) möglicherweise zu einer Erhöhung des Magenkrebsrisikos führen, was sich bisher nicht bestätigte (s.u.).

Beispiele für PPI, die seit Jahren etabliert sind, sind Omeprazol, Esomeprazol, Pantoprazol und Lansoprazol. Neuentwicklungen sind beispielsweise Vonoprazan (2)Gut. 2020 Feb;69(2):224-230. doi: 10.1136/gutjnl-2019-318365. und Keverprazan. (3)Aliment Pharmacol Ther. 2022 Jun;55(12):1524-1533. doi: 10.1111/apt.16959

Die Indikationen beinhalten alle säureabhängigen Erkrankungen des oberen Magendarmtrakts, wie eine akute Gastritis, ein peptisches Geschwür, die Refluxkrankheit und das Zollinger-Ellison-Syndrom (Folge eines Gastrinoms). PPI sind Bestandteil eine Eradikationsbehandlung des Magenkeims Helicobacter pylori.

Übertherapie: PPI gehören zu den Medikamenten, die häufig weit über die notwendige Behandlungszeit hinaus eingenommen (und verschrieben) werden und deren Indikation immer wieder überprüft werden sollte.


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Wirkmechanismen

Protonenpumpenblocker sind chemisch substituierte Benzimidazole (Beispiele: Omeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol). Als Prodrugs (Vorstufensubstanzen) werden sie erst durch Stoffwechselprozesse im Körper in die medikamentös wirksame Form überführt. In ihrer aktiven Form blockieren sie die H+/K+-ATPase der Plasmamembran in den Sekretionskanälchen der Belegzellen. Dieses Enzym ist für die Ansäuerung des Magensafts verantwortlich, indem es intrazellulär gebildetes H+ gegen K+ des Magenlumens austauscht.

Das sezernierte H+ entstammt der aus CO2 und H2O gebildeten Kohlensäure. Wird H+ in das Magenlumen ausgeschieden, bleibt Bikarbonat in den Belegzellen zurück. Dies wird gegen Chlorid auf der anderen Seite der Zelle ins Blut abgegeben. Das vom Blut in die Zelle einströmende Chlorid gelangt als Gegenion des H+ schließlich in das Magenlumen.

Die Protonenpumpenblocker sind Gemische unterschiedlicher Stereoisomere (Razemate), die durch die intrazelluläre Verstoffwechselung zu achiralen aktiven Verbindungen umgewandelt werden, so dass nicht unbedingt eine Razemat-Trennung zu vorteilhafteren Verbindungen führt. Wichtig für die Wirkung ist die Zugänglichkeit der ATPasen, die je nach Aktivierungszustand durch Mahlzeiten unterschiedlich ist.

Unterschiede einzelner PPI

PPI werden überwiegend über das Cytochrome des CYP 450-System, speziell über CYP2C19 und CYP3A4 abgebaut. Mutationen im CYP3A4-Gen beeinflussen die Wirksamkeit der PPI wenig. Solche des CYP2C19-Gens jedoch können erhebliche Auswirkungen auf Wirksamkeit und Verträglichkeit haben. (4)Expert Opin Drug Metab Toxicol. 2018 Apr;14(4):447-460. DOI: 10.1080/17425255.2018.1461835. Epub … Continue reading (5)Paediatr Drugs. 2013; 15(2): 119–131. doi: 10.1007/s40272-013-0012-x

Pantoprazol erreicht nach oraler Gabe rasch eine hohe und konstante Bioverfügbarkeit; Omeprazol und Esomeprazol haben einen First-Pass-Effekt in der Leber und erreichen erst später eine entsprechend gute Wirkung. Beide werden in der Leber über die Cytochrome P450 1A2, 2C19 und 3A4 abgebaut und interagieren damit mit dem Abbau vieler anderer Medikamente (z. B. Diazepam, Phenytoin, Warfarin, Theophyllin). Interaktionen dieser Art sind für Pantoprazol nicht bekannt, da es in der Leber über andere Wege verstoffwechselt wird. Ein verringertes Nebenwirkungsrisiko von Pantoprazol wird in einigen Studien bestritten und eine oft nicht berücksichtigte Gruppe von “Langsammetabolisierer” mit genetischen Anomalien im Cytochrom-P 450-System als Begründung angeführt. (6)Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2424

Mangelhafte Wirksamkeit

Einige Patienten sprechen auf PPI nicht genügend an oder entwickeln ausgeprägte Nebenwirkungen. Dies liegt meist an einer Variation des Gens für das Cytochrom (CYP450), über welches sie metabolisiert werden (CYP2C19)

Indikationen

Die Refluxkrankheit ist eine Krankheit, die hauptsächlich durch Magensäure zustande kommt. PPI gehören zur Basistherapie.

Protonenpumpenblocker sind bei vielen säureabhängigen Magenkrankheiten indiziert. Sie werden bei erhöhtem Risiko auch vorbeugend verwendet. (7)BMC Med. 2016 Nov 9;14(1):179. (8)Minerva Med. 2018 Oct;109(5):386-399. DOI: 10.23736/S0026-4806.18.05705-1. Epub 2018 May 31. PMID: … Continue reading

Indikationen:

Eine maximale Hemmung der Säureproduktion wird nach 2-3-tägiger Therapie erreicht.

Dosierung: Prinzipiell besteht zwischen den verschiedenen Protonenpumpenblockern eine annähernde Dosisäquivalenz (20 mg Omeprazol entsprechen etwa 30 mg Lansoprazol oder 40 mg Pantoprazol). Die Refluxösophagitis (Stadien 2-3 nach Savary und Miller) heilt unter jeweils 40 mg Omeprazol bzw. Pantoprazol nach 4 Wochen praktisch übereinstimmend in einem Prozentsatz von 70 % aus. (10)POET-Studie, Amerikanischer Gastroenterologenkongress, Atlanta 2001

In der Schwangerschaft sind Protonenpumpenblocker offenbar sicher und bewirken keine kindlichen Defekte. (11)N Engl J Med 2010; 363:2114-2123 DOI: 10.1056/NEJMoa1002689

Keine Routineprophylaxe bei Intensivpatienten

Bei Intensivpatienten wird i.d.R. ein Säureblocker zum Schutz des Magens vor einer Blutung wegen Stressgeschwüren (Stressulcera) gegeben. Eine Europäischen Multicenter-Studie besagt jedoch, dass bei Patienten einer Intensivstation durch Pantoprazol die 90-Tage-Sterblichkeit und die Zahl klinisch relevanter Komplikationen gegenüber Placebo nicht gesenkt wurde. (12)N Engl J Med 2018; 379:2199-2208 DOI: 10.1056/NEJMoa1714919

Nebenwirkungen

Protonenpumpenblocker (PPI) sind im Allgemeinen sehr gut verträglich. Allerdings sind auch Nebenwirkungen und Komplikationen, wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Blähungen, bekannt: (13)Journal of Gastroenterology and Hepatology. 32 (7): 1295–1302. doi:10.1111/jgh.13737

Eine Zusammenstellung aus Studien (14)Expert Rev Clin Pharmacol. 2013 Jul;6(4):443-51. doi: 10.1586/17512433.2013.811206 ergibt bei Kurzzeiteinnahme von PPI eine Erhöhung des Risikos für Pneumonie um 27-39%. Das Risiko einer Infektion mit Clostridium difficile war 2,15-fach erhöht; es scheint dosisabhängig zu sein. Aus der Literaturzusammenstellung gehen auch erhöhte Risiken auch für Knochenfrakturen, Thrombozytopenie, Magnesiummangel, Vitamin-B12-Mangel, Rhabdomyolyse und interstitielle Nephritis hervor.

Manche dieser Assoziationen scheinen sehr schwach zu sein und werden oder wurden in anderen Arbeiten nicht gefunden. Beispielsweise wurde 2010 eine Assoziation mit Magnesiummangel oder Vitamin-B12-Mangel nicht festgestellt (15)World J Gastroenterol. 2010 May 21;16(19):2323-30. Die Einstellung hat sich jedoch seither kritisch geändert (16)BMC Med. 2016 Nov 9;14(1):179..

Omeprazol.

Inadäquate Verschreibung

Protonenpumpenblocker beinhalten ein gewisses Suchtpotenzial: einmal begonnen, werden sie oft nicht auf Wirksamkeit überprüft und auch bei Wirkungslosigkeit weiter eingenommen, besonders von älteren Patienten. Nebenwirkungen durch Interaktionen mit anderen Medikamenten nehmen daher zu. In italienischen Klinken ist in Studien ein “Overuse” von 57,5 % (meist bei jungen Patienten ohne zusätzliche Risikofaktoren), auf der anderen Seite ein “Underuse” von 25 – 30 %  festgestellt worden (17)BMC Med. 2016 Nov 9;14(1):179.. Die PPI-Verordnungen werden oft unreflektiert weitergegeben, von der Intensivstation (wo PPI meist gerechtfertigt sind), auf Allgemeinstation und vor dort zum Hausarzt. Da PPI frei erhältlich sind, ist einer Fortsetzung über den Krankheitszeitraum hinaus kein Riegel vorgeschoben.

PPI und Magnesiummangel

Bei Menschen, die längere Zeit Protonenpumpenblocker einnehmen, kommt es zu einem statistisch signifikanten Magnesiummangel (18)Ren Fail. 2015 Aug;37(7):1237-41. doi: 10.3109/0886022X.2015.1057800. (19)Am J Kidney Dis. 2015 Nov; 66(5):775-82. Davor warnt inzwischen auch die FDA (Food and Drug Administration) (20)http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm245011.htm. Allerdings wird dies auch kritisch hinterfragt (21)Kidney Res Clin Pract. 2016 Jun;35(2):128-9. doi: 10.1016/j.krcp.2016.04.002.. Bei Patienten mit Organtransplantationen (die oft PPI erhalten) ist eine Hypomagnesiämie mit einem erhöhten Risiko eines sich neu entwickelnden Diabetes verbunden (22)J Am Soc Nephrol. 2016 Jun;27(6):1793-800. doi: 10.1681/ASN.2015040391 (23)Liver Transpl. 2010 Nov; 16(11):1278-87.

Fördern PPI eine Demenz?

Lansoprazol vermag in Zellkulturen und am Mausmodell die Produktion von Amyloid-ß zu fördern. Es wird darauf hingewiesen, dass dies eine Eigenschaft aller PPI sein kann. (24)PLoS One. 2013;8(3):e58837. doi: 10.1371/journal.pone.0058837

In einer Literaturrecherche wurde dies 2016 bestätigt: Laut 4 auswertbaren Studien besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Demenz auch bei Menschen, die PPI einnehmen (25)Ann Transl Med. 2016 Jun;4(12):240. doi: 10.21037/atm.2016.06.14. Eine neuere Metaanalyse 2023 kam jedoch zu dem Schluss, dass keine eindeutigen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der PPI-Einnahme und dem Demenzrisiko bestehen. Ein gewisses Demenzrisiko durch PPI könne allerdings nicht ausgeschlossen werden. (26)Br J Clin Pharmacol. 2023 Feb;89(2):602-616. DOI: 10.1111/bcp.15583

PPI und Magenkrebs

Langzeitgebrauch von PPI wurde immer wieder mit der Entwicklung prämaligner Läsionen im Magen in Zusammenhang gebracht. Eine Bestätigung wurde bisher nicht gefunden.Schon 2006 wurde ein 4-fach erhöhtes Risiko einer Polypenbildung durch Parietalzellhyperplasie im Magenfundus festgestellt; aber das Risiko von Dysplasien (Vorstufen von Krebs) war vernachlässigbar gering. (27)Aliment Pharmacol Ther. 2006 Nov 1;24(9):1341-8

Eine große iranische Studie kann keine Assoziation finden (28)Arch Iran Med. 2013 Aug;16(8):449-58. doi: 0013168/AIM.004.. Eine Cochrane-Metaanalyse verschiedener Studien (29)Cochrane Database Syst Rev. 2014 Dec 2;(12):CD010623. doi: 10.1002/14651858.CD010623 besagt, das derzeit keine klare Beweislage dafür vorliegt, dass die langfristige Verwendung von PPIs zu einer beschleunigten  Magenkorpus-Atrophie oder einer intestinalen Metaplasie führt; eine PPI-Langzeittherapie führt jedoch möglicherweise zu einem höheren Risiko, entweder diffuse (einfache) oder lineare / micronoduläre (fokale) ECL-Zell-Hyperplasie zu entwickeln, deren Bedeutung noch unklar ist.

In einer Studie (über 831407 Personenjahre, durchschnittlich über 13,8 Jahre) wurde bei Verwendung von PPI das Risiko für Gesamtmortalität und Mortalität aufgrund von Hauptursachen nicht erhöht gefunden. (30)Gastroenterology. 2022 Oct;163(4):852-861.e2. doi: 10.1053/j.gastro.2022.06.067. (31)Gastroenterology. 2023 May;164(6):1021. doi: 10.1053/j.gastro.2022.10.006

PPI und Darmbakterien

Protonenpumpenblocker beeinflussen die Bakterien des Magendarmkanals.

Eine Langzeit-Einnahme führte im Tierexperiment und beim Menschen zu einer Veränderung des Verhältinisses von Firmicutes zu Bakteroides zugunsten Firmicutes. Dies bedeutet ein erhöhtes Risiko einer Clostridium-difficile-Infektion und anderer Darminfektionen. (32)Biochem Biophys Res Commun. 2009 Apr 17; 381(4):666-70 (33)Aliment Pharmacol Ther. 2016 May;43(9):974-84. doi: 10.1111/apt.13568. (34)Gut Liver. 2016 Nov; 10(6): 865–866. Published online 2016 Nov 15. doi:  10.5009/gnl16438 (35) 2018 Mar;131(3):244-249. doi: 10.1016/j.amjmed.2017.10.034.

Eine Langzeit-PPI-Behandlung führt laut einer anderen Untersuchung zu einer deutlichen Dysbiose mit vermehrter Kolonisation von Candida. (36)Front Cell Infect Microbiol. 2023 Aug 17;13:1205348. DOI: 10.3389/fcimb.2023.1205348


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Verweise

Literatur[+]