Juckreiz bei Cholestase

Generalisierter Juckreiz bei Cholestase (Gallestau im Körper) ist ein häufiges und oft äußerst belastendes Symptom.

Entstehung

Die Entstehung ist nicht völlig geklärt. Als Auslöser wurden und werden viele Moleküle und Rezeptoren diskutiert, einschließlich Gallensäuren, Bilirubin, Lysophosphatidsäure (LPA), endogene Opioide und Serotonin.

Heute wird angenommen, dass endogene und exogene niedermolekulare Moleküle an Rezeptoren auf C-Fasern (spezielle nicht myelinisierte Nervenendigungen) in der Haut binden. Kandidaten sollen vor allem Lysophospholipide und sulfatierte Progesteron-Metaboliten sein. Die Gallensäurekonzentration oder Bilirubin soll dagegen keine dominierende Rolle spielen. (1)Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2023 Jan;20(1):26-36. DOI: 10.1038/s41575-022-00687-7

Eine bedeutende Rolle kommt offenbar dem Mas-bezogenen G-Protein-gekoppelten Rezeptors X4 (MRGPRX4) zu. Das Autotaxin/LPA wird als Hauptakteur angesehen. (2)Am J Clin Dermatol. 2022 Sep;23(5):647-659. DOI: 10.1007/s40257-022-00710-2

Leberkrankheiten, die mit Juckreiz einhergehen

Unter Juckreiz bei Cholestase klagen besonders Patienten mit einer


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes.
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der
Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.


Therapeutische Ansätze

Als Basistherapie von cholestatischem Pruritus werden seit vielen Jahren Cholestyramin, Rifampicin, Antihistaminika, Opioidantagonisten und Ondansetron verwendet. Sie wirken bei verschiedenen Patienten unterschiedlich, so dass in der Praxis eine sequenzielle Anwendung (“Ausprobieren”) die besten Erfolgschancen bietet. (3)Curr Treat Options Gastroenterol. 2003 Dec;6(6):493-498. doi: 10.1007/s11938-003-0051-4

Auch wenn heute Gallensäuren als Ursache in Zweifel gezogen werden, so wirken bei einigen Erkrankungen mit Juckreiz Behandlungen günstig, die auf eine veränderte Gallensäurezusammensetzung gerichtet sind.

Auch endogene Opioide wurden als pathogenetische Faktoren des Juckreizes diskutiert (4)Clin Res Hepatol Gastroenterol. 2011 Feb;35(2):89-97, was die positive Wirkung von Naltrexon und Gabapentin bei Juckreiz bestimmter Leberkrankheiten erklärt.

Cholestyramin wurde bisher zur Steigerung der Gallensäureausscheidung über den Darm angewendet, hat sich aber als nicht immer effektiv herausgestellt.

Ursodesoxycholsäure (Urso) führt bei der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase dagegen in etwa 2/3 der Fälle zu einer Verminderung des Juckreizes. (5)Gastroenterology. 2005 Sep;129(3):894-901

Naltrexon ist ein Opioid-Rezeptor-Antagonist, der bei Patienten mit cholestatischer Lebererkrankung bereits 1997 untersucht wurde. In einer Doppelblindstudie wurde mit einer relativ hohen Dosis von 50 mg eine signifikante Besserung des Juckreizes festgestellt, allerdings gab es auch deutliche Nebenwirkungen. (6)Gastroenterology. 1997 Oct;113(4):1264-9 Ein positiver Effekt hat sich seither immer wieder bestätigt. (7)World J Gastroenterol. 2006 Feb 21;12(7):1125-8 Bei anderen Indikationen wurden low-dose-Medikationen erfolgreich gegen Juckreiz verwendet. (8)Int J Rheumatol. 2011;2011:804296

Gabapentin gehört zu den Antikonvulsiva und wird auch zur Therapie des neuropathischen Schmerzes eingesetzt. Es erhöht den Schwellenwert für Schmerz im Zentralnervensystem. In einer Studie an Patienten mit chronisch cholestatischen Leberkrankheiten und Juckreiz, in der geprüft wurde, ob auch der Schwellenwert für Juckreiz angehoben wird, fand sich kein therapeutischer Erfolg; im Gegenteil, es erhöhte sich die Kratzaktivität. (9)Hepatology. 2006 Nov;44(5):1317-23

Plasmapherese als Notfallmaßnahme

Bei schwerstem, sonst nicht behandelbarem Pruritus bei der PBC wurde bei Patientinnen in der frühen Schwangerschaft, in der schädigende Medikamente vermieden werden müssen, erfolgreich eine Plasmapherese durchgeführt. (10)Can J Gastroenterol. 2008 May;22(5):505-7 (11)Therap Adv Gastroenterol. 2023 May 25;16:17562848231172829. doi: 10.1177/17562848231172829

Neue Entwicklungen

Autotaxin-Inhibitoren: Nach neueren Erkenntnissen scheint eine erhöhte Konzentration von Lysophosphatidylsäure LPA (lysophosphatidic acid) im Serum von Patienten mit Cholestase eine Rolle zu spielen. Sie wird über LPA-Rezeptoren in neuronale Zellen aufgenommen und ruft im Tierversuch Juckreiz hervor. Ursache ist offenbar eine erhöhte Aktivität von Autotaxin, einem Enzym, welches die Bildung von LPA aus Lysophosphatidylcholine katalysiert. Möglicherweise bietet sich hier ein Ansatz für die Entwicklung einer Therapie. (12)Hepatology. 2012 Apr 2. doi: 10.1002/hep.25748 Autotaxin-Inhibitoren, die von besonderem Interesse sind, werden von der pharmazeutischen Industrie entwickelt. (13) 2010 Sep;139(3):1008-18, 1018.e1. doi: 10.1053/j.gastro.2010.05.009. (14)Chem Rev. 2012 May 9;112(5):2593-603. doi: 10.1021/cr2003213. (15) 2016 Apr;62(4):530-5. doi: 10.1097/MPG.0000000000001044. Studien müssen abgewartet werden, speziell auch wegen der möglicherweise erwartbaren Nebenwirkungen, da auch andere Systeme wie das Gerinnungssystem durch Autotaxine beeinflusst werden. (16)J Biol Chem. 2009 Mar 13;284(11):7385-94

Hemmung der Gallensäureaufnahme im Ileum: Der ileale Gallensäuretransporter (IBAT), auch bekannt als ASBT (apikaler Natrium-Gallensäure-Transporter, kodiert durch SLC10A2) kann mit IBAT-Inhibitoren, wie Maralixibat und Odevixibat, gehemmt werden. Sie führen zu einer Verringerung der hepatischen Gallensäurekonzentration. Ziel ist es, eine Toxizität durch Gallensäureakkumulation zu verringern. Solche Überlegungen werden zur überbrückenden Behandlung z. B. bei der angeborenen biliären Atresie (Alagille-Syndrom) und der progressiven familiären intrahepatischen Cholestase angestellt. (17)Liver Int. 2020 Aug;40(8):1812-1822. doi: 10.1111/liv.14553.

Verweise

 

 

Literatur[+]