Leberfibrose

Allgemeines

Die Leberfibrose ist eine beginnende Narbenleber mit vermehrter Einlagerung von kollagenem Bindegewebe und damit ein Übergangsstadium in Richtung Leberzirrhose. Um ein Fortschreiten der Narbenbildung zu verhindern, muss die Ursache, beispielsweise eine Hepatitis, eine Alkoholschädigung oder ein Medikamentenschaden oder eine Verfettung der Leber gefunden und spezifisch therapiert werden.

Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Die Leberfibrose ist eine beginnende Vernarbung der Leber und Vorstufe einer Leberzirrhose. Sie kommt durch chronische Entzündungsvorgänge zustande, die wiederum durch viele unterschiedliche Auslöser hervorgerufen werden können. Wichtige Auslöser sind beispielsweise

Bei chronischen Leberkrankheiten wird regelmäßig auf die Entwicklung einer Leberfibrose geachtet. Da sie keine besonderen Beschwerden macht, wird sie oft erst im Rahmen einer Untersuchung aus anderen Gründen eher zufällig gefunden.

Die Diagnostik einer leichten Fibrose kann meist nur histologisch erkannt werden. Eine fortgeschrittene Fibrose ist durch Ultraschalluntersuchung der Leber oft schon gut erkennbar und kann durch den Fibroscan weitgehend gesichert werden.

Da die Leberfibrose die Tendenz hat fortzuschreiten, ist es zur Vermeidung einer Leberzirrhose wichtig, die Auslöser auszuschalten, d. h. die Grundkrankheit zu behandeln. Eine Rückbildung ist in der Regel nicht erreichbar, aber laut Einzelbeobachtungen offenbar nicht unmöglich. Neue Entwicklungen sind jedoch in dieser Beziehung Erfolg versprechend. Als therapeutischer Angriffspunkt bietet sich der Signalweg an, in dem TGF-ß wirkt.

Leberzirrhose


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Entstehung

Ursachen

Eine Leberfibrose ist die Folge einer chronischen Leberschädigung und tritt im Laufe vieler Erkrankungen auf. Häufige Ursachen sind:

Kollagen als Narbenmaterial

Die Leberfibrose beginnt meist mit der Ablagerung von Kollagen IV, das die Basalmembranen der kleinsten Blutgefäße aufbaut und sich normalerweise nur im engen periportalen Bereich der Leberläppchen befindet, auch in den entfernteren Läppchenanteilen bis hin zu den perivenösen Arealen. Der Kollagen-IV-Spiegel im Blut korreliert in etwa mit der Fibrosierungsaktivität des Lebergewebes.

Mechanismen

Die hepatischen Myofibroblasten entstehen aus Ito-Zellen (hepatic steallate cells, HSC) durch Aktivierung.  Sie spielen nach neuen Erkenntnissen eine zentrale Rolle für die Fibrogenese der Leber. (1)Int J Biochem Cell Biol. 2006 Feb;38(2):135-51. Sie enthalten Cytoglobin (CYGB). Dies ist ein Häm enthaltendes Globin (spezielles Eiweiß), welches den Gehalt an Sauerstoff im Gewebe misst und reguliert. Die HSC wurden daher auch als “O2-sensing cell type” bezeichnet. Sie werden bei Sauerstoffmangel aktiviert. (2)Hepatology. 2000 Jan; 31(1):141-8. Die Funktion eines O2-Sensors in ihnen übernimmt Cytoglobin (CYGB) (3)Proc Jpn Acad Ser B Phys Biol Sci. 2016;92(3):77-97. doi: 10.2183/pjab.92.77. Die HSC unterstützen über das sauerstoffbindende CYGB die Sauerstoffumgebung der Leberzellen (interzelluläre Zusammenarbeit mit Hepatozyten), die viel Sauerstoff für die Stoffwechselprozesse ihrer Cytochrome benötigen. (4)Lab Invest. 2015 May;95(5):515-24. doi: 10.1038/labinvest.2015.29

→ Zu Cytoglobin siehe hier.

Die Kupffer-Zellen sind hepatische Makrophagen. Es besteht ein Zusammenwirken der HSC mit Kupffer-Zellen: CYGB hemmt ihre Vermehrung und die in ihnen (bei Endotoxinstimulierung) ablaufende Bildung von TNF-α. (5)Sci Rep. 2017 Jan 27;7:41647. doi: 10.1038/srep41647. Diese Eigenschaft ermöglicht es den HSC, über CYGB Entzündungsreaktionen zu dämpfen, an denen Kupffer-Zellen beteiligt sind.

Cytoglobin (CYGB): Die Bildung von Cytoglobin wird durch eine zunehmende Fibrose angeregt. Der Fibroblasten-Wachstumsfaktor 2 (FGF2) fördert nicht nur das Wachstum von Fibroblasten (Bindegewebszellen), sondern auch in den HSC die Bildung von CYGB, welches der Fibrosierung entgegenwirkt. Es wird angenommen, dass FGF2 eine Rolle bei der Behandlung der Leberfibrose zukommen kann. (6)J Biol Chem. 2017 Nov 17;292(46):18961-18972. doi: 10.1074/jbc.M117.793794. Bei Gallestau vermindert FGF2 die Aktivierung der HSC und die Bildung von CYGB und führt zu rascher Leberfibrose. (7)J Biol Chem. 2017 Nov 17;292(46):18961-18972. doi: 10.1074/jbc.M117.793794.

Der Transforming growth factor beta  (TGF-β) ist ein Zytokin, welches die Ito-Zellen anregt, Kollagen zu bilden. Es wirkt damit Fibrose erzeugend. TGF-β wird damit als lohnendes Ziel einer Behandlung der Leberfibrose angesehen. (8)Cells. 2019 Nov; 8(11): 1419. doi: 10.3390/cells8111419

→ Zu den an der Fibrosebildung beteiligten Zelltypen siehe hier.

Fettgewebshormone

Adipokine sind “Hormone” des Fettgewebes wie Leptin, Adiponektin und Resistin. Ihre Fehlfunktion kann zur Fibroseentwicklung in der Leber beitragen, was bei der NASH eine entscheidende Rolle spielt. (9)Aliment Pharmacol Ther. 2008 Mar 1;27(5):412-21 Leptin hemmt die PPARgamma-Gen-Expression in Itozellen, was zu ihrer Aktivierung und damit zur vermehrten Kollagenbildung beiträgt. (10)Mol Cell Endocrinol. 2010 Jul 29;323(2):193-200. doi: 10.1016/j.mce.2010.03.005 Bei der nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH) wird Leptin hochreguliert. Bei der in diesem Rahmen erfolgten Aktivierung der Ito-Zellen spielt Osteopontin eine zentrale Rolle. (11)Biochim Biophys Acta. 2016 Jan;1862(1):135-44. doi: 10.1016/j.bbadis.2015.10.028

Symptomatik

Eine Leberfibrose macht selbst keine oder kaum Beschwerden. Wenn Symptome auftreten, sind sie in der Regel durch die zugrunde liegende Erkrankung verursacht. Die typischen Komplikationen einer Leberfibrose im Endstadium der Leberzirrhose, wie Aszites oder Zeichen einer portalen Hypertension, sind im Nicht-Zirrhosestadium noch nicht zu gewärtigen.

Diagnostik

Sonographie

In der Regel findet man eine diffuse Strukturvermehrung der Leber. Sie kann diskret, aber auch so ausgeprägt sein, dass eine Leberzirrhose differentialdiagnostisch in Frage kommen kann. Um eine Leberfibrose von einer Leberzirrhose sonographisch zu unterscheiden, hilft oft die Beurteilung der Verformbarkeit der Leber, der Nachweis einer portalen Hypertension oder die Feinbeurteilung der Leberoberfläche weiter (siehe hier). Im Zweifelsfall muss auf einen Fibroscan, eine Leberhistologie oder – als Goldstandard – eine Laparoskopie (Minilaparoskopie) zurück gegriffen werden.

→ Zur Sonographie der Leber.

Labor

Kollagen IV im Blut ist ein viel versprechender Marker für die Fibrosierungsaktivität der Leber. Der Spiegel vermag u.U. Auskunft darüber zu geben, ob eine Therapie hinsichtlich der fibrosierenden Gewebsaktivität anschlägt (z.B. IFN-a bei Hepatitis C). Auch kann Hyaluronsäure als Marker dienen. Ein einzelner Marker scheint jedoch in der Regel nicht verlässlich genug zu sein. Surrogat-Marker (wie Alter, Typ-III-Kollagen, Gewebsinhibitor der Metalloproteinase-1) mit Score-Bewertung können allerdings in vielen Fällen gute Hinweise auf den Fibrosierungsgrad geben. (12)Gastroenterology. 2004; 127: 1704-13 FibroTest ist ein Surrogat-Marker, der sich auf Alpha-2-Makroglobulin, Apo-A1, Haptoglobin, Gamma-GT und Gesamtbilirubin stützt. (13)J Gastrointestin Liver Dis. 2007 Mar;16(1):31-7

Zu Laborwerten bei Leberkrankheiten.

Leberpunktion

Das durch Punktion gewonnene Lebergewebe lässt histologisch in aller Regel eine Fibrosierung gut erkennen. Ist sie nicht nachweisbar, kann in nicht zu seltenen Fällen (bis 33% werden berichtet) ein “sampling error” (negativer Befund in der Probe möglich bei ungleichmäßiger Verteilung der Kollagenfasern im Lebergewebe) vorliegen.  (14)Am J Gastroenterol. 2004; 99: 1160-74 Um ihn auszuschließen, wäre eine Gewebsprobenentnahme unter Sicht (z.B. durch Minilaparoskopie) zu diskutieren.

Nichtinvasive Methoden

  • FibroScan: Messung der Lebersteifheit durch Messung der Ausbreitungsgeschwindigkeit eines mechanischen Impulses in der Leber. Diese Methode lässt eine ausgeprägte Fibrose und eine Leberzirrhose recht gut erkennen und kann der Verlaufsbeobachtung dienen. Mehr dazu siehe hier.
  • MR-Elastographie: Messung der Elastizität der Leber bei Einfluss von Scherkräften. Mehr dazu siehe hier.

Komplikationen

Eine Leberfibrose kann in eine Leberzirrhose übergehen. Die Gefahr des Fortschreitens hängt von der Grunderkrankung ab. Sie ist manchmal nicht an der Höhe der Transaminasen ablesbar. So kann bei der Hepatitis C selbst dann, wenn gute GPT-Werte vorliegen, ein Fortschreiten der Fibrosierung nicht ausgeschlossen werden.

Therapie

Die Therapie der Grunderkrankung ist bisher die noch wirksamste Maßnahme, eine zunehmende Vernarbung zum Stillstand zu bringen. So kann eine effektive Behandlung einer Virushepatitis eine Fibrosierung stoppen. Auch eine Rückentwicklung der Leberfibrose wurde gelegentlich beschrieben (15)Top Antivir Med. 2017 Feb/Mar;25(1):7-11. (16)Semin Liver Dis. 2017 Feb;37(1):1-10. doi: 10.1055/s-0036-1597816..

Eine medikamentöse Therapie, die den Fibrosierungsprozess per se sicher aufhalten kann, ist derzeit noch nicht etabliert . Experimentelle Ansätze sind aber offenbar erfolgversprechend. (17)Adv Drug Deliv Rev. 2017 May 12. pii: S0169-409X(17)30063-7. doi: 10.1016/j.addr.2017.05.007.

Perspektiven

  • Entwicklungen betreffen die therapeutische Beeinflussung von hepatischen Myofibroblasten (Ito-Zellen, HSC), des TNF-alpha-Signalwegs (18)Tomite K et al. Gut. 2005 Sep 20, der Cytoglobin- (19)Sci Rep. 2017 Jan 27;7:41647. doi: 10.1038/srep41647. und der Adipokin-Wirkung. (20)Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2005 Sep-Oct;9(5):279-84
  • Thiazolidinedione unterdrücken die Fibrosebildung und Gallengangsproliferation in experimenteller Cholestase bei Ratten. (21)World J Gastroenterol. 2005; 11: 4931-8
  • Follistatin (ein biologischer Inhibitor von Activin, das von aktivierten Ito-Zellen gebildet wird) bewirkt eine Hemmung von Fibrosierungsaktivitäten. (22)Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol. 2006 Jan;290(1):G137-44
  • Die experimentelle Antagonisierung des TGF-beta-Receptor-Signalwegs moduliert die Fibrosebildung. (23)Eur J Surg Suppl. 2002; (587): 100-12 Casticin, ein pflanzliches Flavonoid, zeigte experimentell eine Hemmung der Aktivität der Ito-Zellen und eine Blockierung des TGF-ß1-Signalwegesv (24)Oncotarget. 2017 Apr 27. doi: 10.18632/oncotarget.17453. Auch andere Substanzen, wie Decursin (25)Life Sci. 2014 Jul 17;108(2):94-103. doi: 10.1016/j.lfs.2014.05.012. und Sauchinon (26)Chem Biol Interact. 2014 Dec 5;224:58-67. doi: 10.1016/j.cbi.2014.10.005. hemmen die Aktivierung der hepatischen Myofibroblasten und die Narbenbildung.
  • Curcumin (in Curry enthalten) hemmt die Wirkung von Insulin und Leptin (27)Eur J Surg Suppl. 2002; (587): 100-12 auf die Ito-Zellen der Leber und soll so vor einer Fibrosierung schützen.
  • PDGF- und TGFß-Inhibitoren hemmen die Expression von Kollagen-1 im Tierexperiment (Leberschnitte zihhrotischer Rattenlebern). Die TGFß-Hemmer Rosmarinsäure und Tetrandrin verringerten darüber hinaus auch den gesamten Kollagengehalt und erweisen sich damit als potenzielle Therapieoptionen zur Vorbeugung und Behandlung einer Lebervernarbung. (28)PLoS One. 2014 Apr 22;9(4):e95462.
  • Eine MicroRNA-basierte Therapie wird als aussichtsreich betrachtet. Denn die Unterdrückung von miR-26a-5p in mesenchymalen Stammzellen vermag deren HGF-Produktion (Hepatocyte growth factor, fördert Zellteilungen reifer Hepatozyten) zu steigern. Dies führt in der vernarbten Leber zu einer Reduktion der TGF-β- Expression und der Kollagenbildung (29)Sci Rep. 2015 Feb 27;5:8616. doi: 10.1038/srep08616 (30)Am J Transl Res. 2017 Mar 15;9(3):1500-1508. eCollection 2017..

Mesenchymale Stammzellen (MSC)

Präklinische Studien haben erwiesen, dass MSC zu einer Umkehr der Fibroseentwicklung führen können. Sie verbessern im Tierversuch die Leberfunktion; dies geschieht hauptsächlich durch Differenzierung in Hepatozyten und durch Beeinflussung der Immunregulation, Sekretion von Zytokinen, Verringerung der Hepatozytenapoptose und Förderung der Hepatozytenregeneration. (31)Stem Cells Int. 2021 Aug 10;2021:6546780. DOI: 10.1155/2021/6546780. Dabei spielen die von MSC entlassenen Exosomen eine fühende Rolle. Hier wird ein neuer therapeutischer Ansatzpunkt gesehen. (32)Front Cell Dev Biol. 2022 Jan 24;9:770510. DOI: 10.3389/fcell.2021.770510

Prognose

Die Prognose der Leberfibrose hängt von der Grunderkrankung ab. Bei chronischen Leberentzündungen beispielsweise kann eine Progression zur Leberzirrhose stattfinden. Selten wird eine Regression beobachtet: Beispiel ist eine Fibrose, die durch einen Gallestau ausgelöst war und die nach Entlastung durch eine Papillotomie rückläufig wurde. (33)NEJM 2001; 344: 418-423

Verweise

Literatur[+]