CAR-T-Zellen

Artikel aktualisiert am 2. Mai 2024

Definition


CAR-T-Zellen sind besondere Lymphozyten, die Chimäre AntigenRezeptoren (CARs) – auch chimäre Immunrezeptoren tragen. Dies sind Rezeptorproteine, die so konstruiert wurden, dass sie T-Zellen die Fähigkeit verleihen, auf ein bestimmtes Antigen abzuzielen. Sie vereinen sowohl Antigen-bindende als auch T-Zell-aktivierende Funktionen.

Allgemeines

CAR-T-Zellen ermöglichen einen neuen Ansatz in der Therapie verschiedener Krankheiten, besonders in der Tumortherapie. Es sind künstlich modifizierte T-Lymphozyten, die zentrale Bestandteile des Immunsystems darstellen. CAR bedeutet „chimerer Antigen-Rezeptor“. Solch ein Rezeptor wird nach Zielvorgabe entworfen und über einen Vektor, z. B. über ein Lentivirus, als genetisches Template (Bauvorschrift) in die Lymphozyten eingeschleust. Er verleiht ihnen die Fähigkeit, Tumorzellen, die sie erkennen, zu zerstören. Allerdings entwickelt sich oft eine Resistenz durch Adaptationen der Tumormikroumgebung. Neuere Entwicklungen zeigen Wege auf, dieses Handicap zu überwinden. (1)Nature. 2023 Feb;614(7949):635-648. DOI: 10.1038/s41586-023-05707-3 CAR-T-Zellen sind mittlerweile eine etablierte Behandlung für rezidivierte und/oder refraktäre B-Zell-Lymphome, akute lymphoblastische B-Zell-Leukämie und das multiple Myelom. (2)Nat Rev Clin Oncol. 2023 Jun;20(6):359-371. doi: 10.1038/s41571-023-00754-1

Immunsystem und Krebs


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Grundproblem

Tumorzellen entgehen häufig der immunologischen Abwehr; sie machen sich für Abwehrzellen unsichtbar. Wenn man den Immunzellen die Fähigkeit vermitteln könnte, sie zu entdecken, könnte Mechanismen der Immunabwehr zur Therapie ausnutzen. Bei manchen Tumoren können besondere Oberflächenproteine nachgewiesen werden, die mehr oder weniger tumorspezifisch sind. Wenn man den Lymphozyten beibringen könnte, solche Tumormarker zu erkennen und daraufhin als Abwehrzellen aktiv zu werden, könnte dies therapeutisch ausnutzbar sein. Das Ausgangsproblem war, wie man Oberflächenmarker von Tumorzellen für T-Lymphozyten erkennbar macht. Es hat zur Entwicklung des Prinzips der CAR-T-Zellen geführt.

Prinzip

CARs sind rekombinante Rezeptoren, die zwei Funktionen vereinen: sie binden spezifisch an besondere Antigene, und sie können T-Lymphozyten aktivieren, sodass sie die Zellen, mit denen sie über die Rezeptoren in Kontakt gekommen sind, zerstören. Sie dienen der Immuntherapie von Krebs.

Durch die Expression dieser modifizierten Rezeptoren werden normale T-Lymphozyten zu „CAR-T-Zellen“. Für die Transformation der T-Lymphozyten in CAR-T-Zellen werden T-Zell-Kulturen benötigt, in denen ein Transfer der spezifischen CAR-Gene in das T-Zell-Genom erfolgen kann. Für den Gentransfer werden Viren als Vektoren verwendet, beispielsweise Lentiviren oder abgeschwächte HSV-1. (3)Front Immunol. 2021 Apr 19;12:638907. DOI: 10.3389/fimmu.2021.638907. Der Kontakt der CAR-T-Zellen mit den erkannten Tumorzellen bedarf (i. G. zu physiologischen Rezeptoren) keiner HLA-Komplexe. Im Prinzip können gegen jedes Oberflächenprotein spezielle CARs entworfen werden. (4)Cancer Discov. 2013 Apr;3(4):388-98. doi: 10.1158/2159-8290.CD-12-0548. Epub 2013 Apr 2. PMID: … Continue reading

Bei Kontakt mit den erkannten Tumorzellen ragieren CAR-T-Zellen mit tumorspezifischer Zytotoxizität. CARs, die auf das B-Zell-assoziierte CD19-Oberflächenantigen abzielen, sind für die Behandlung von B-Zell-Leukämien und -Lymphomen interessant (siehe hier). Andere werden zur Behandlung solider Tumoren, wie des Nierenzellkarzinoms, des Mammakarzinoms, des Magenkarzinoms oder des Ovarialkarzinoms als aussichtsreich angesehen. Allerdings scheinen CAR-T-Zellen gegen solide Tumoren weitaus weniger geeignet zu sein, als gegen beispielsweise B-Zell-Lymphome. (5)Cancer Discov. 2013 Apr;3(4):388-98. DOI: 10.1158/2159-8290.CD-12-0548.CD-12-0548. (6)J Hematol Oncol. 2021 Apr 19;14(1):65. DOI: 10.1186/s13045-021-01067-5. (7)Stem Cell Res Ther. 2021 Jan 25;12(1):81. DOI: 10.1186/s13287-020-02128-1.

Inzwischen ist eine Therapie mit CAR-T-Zellen für verschiedene Krankheiten entwickelt und zugelassen worden. Zu den ersten Wirkstoffen zählen Tisagenlecleucel (CTL019, Kymriah, gegen die akute lymphozytische Leukämie), Ciloleucel (Yescarta, gegen das diffuse großzellige B-ZellLymphom) und Talimogen laherparepvec (T-Vec, Imlygic, gegen das Melanom). Weitere sind in Entwicklung. (8)Stem Cell Res Ther. 2021 Jan 25;12(1):81. DOI: 10.1186/s13287-020-02128-1.

Beispiel CAR-T-Zell-Therapie der ALL

CAR-T-Zell-Therapie der ALL

Die „Anti-CD19 CAR-T-Zell“-Behandlung der akuten lymphozytischen Leukämie (ALL) ist hoch wirksam und erzielte bei Kindern, die nach Chemotherapie einen Relaps erlitten, eine komplette Remission in 65-90% der Fälle. (9)Front Immunol. 2020 Aug 11;11:1985. doi: 10.3389/fimmu.2020.01985. PMID: 32849662; PMCID: … Continue reading Sie hat allerdings ein toxisches Nebenwirkungspotenzial, da sie zu einer hohen Zytokinfreisetzung (cytokin-release-syndrome) mit Kreislaufzusammenbruch, Atemnot, Fieber und Erbrechen führt und eine Hirnschädigung (CAR-T-Zell-assoziiertes Enzephalopathie-Syndrom) bewirken kann. (10)Drugs Today (Barc). 2017 Nov;53(11):597-608. doi: 10.1358/dot.2017.53.11.2725754. PMID: 29451276. Dazu siehe hier.

CAR-T-Zell-Therapie der ALL

Das großzellige B-Zell-Lymphom ist ein Non-Hodgkin-Lymphom, welches i. d.  R. mit R-CHOP (Rituximab und Chemotherapie behandelt wird. In einer Studie wurde bei Patienten mit nicht mehr ansprechender Erkrankung eine Behandlung mit CART-Zellen (Axicabtagene ciloleucel) eingeleitet. Innerhalb des ersten Jahres kam es zu einem Abfall des Überlebens, dann aber blieb die Kurve weitgehend gleich. Es wird zusammenfassend festgestellt, dass das mittlere Gesamtüberleben nach einer Nachbeobachtungszeit über 2 Jahren liegt (es wurde in 2 Jahren noch nicht erreicht). Etwa 40% der Studienpatienten zeigten bis dahin ein dauerhaftes Ansprechen. (11)Lancet Oncol. 2019 Jan;20(1):31-42. DOI: 10.1016/S1470-2045(18)30864-7. Epub 2018 Dec 2. PMID: … Continue reading

Nebenwirkungen, Komplikationen

Die Freisetzung von Zytokinen durch den Kontakt der CAR-T-Zellen mit Tumorzellen führt relativ häufig zu einem „Cytokin-Release-Syndrom“ (CRS). Leichte Fälle lassen sich durch Antihistaminika und NSAID beherrschen. Schwere Fälle dagegen mit massiver Freisetzung entzündlicher Zytokine können so heftig und lebensbedrohlich ausfallen, dass Entzündungshemmer, wie der IL-6-Hemmer Tocolizumab, indiziert sind. Auch muss man ein CAR-T-Zell-assoziiertes Enzephalopathie-Syndrom (CRES), auch bekannt als „immune effector cell-associated neurotoxicity syndrome“ (ICANS) gewärtigen. (12)Expert Rev Clin Immunol. 2019 Aug;15(8):813-822. DOI: 10.1080/1744666X.2019.1629904. Epub 2019 Jun … Continue reading

Langzeiterfolge

Eine Zusammenstellung von Ergebnissen zeigt beispielhaft die große therapeutische Potenz der Cart-T-Zellen, aber auch die Notwendigkeit genau definierter Ziele. Auf CD19 ausgerichtete CAR-T-Zellen verlängerten bei Patienten mit B-Zell-Lymphomen die Remission mit nur minimalen langfristigen Toxizitäten.  Für eine Untergruppe von Patienten konnte eine Heilung erzielt werden. Im Gegensatz dazu führten CAR-T-Zellen, die auf BCMA (B cell maturation antigen) gerichtet waren, zu kürzeren Remissionen. (13)Nat Rev Clin Oncol. 2023 Jun;20(6):359-371. doi: 10.1038/s41571-023-00754-1

Verweise

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