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Das Wichtigste verständlich
Kurzgefasst |
Der Morbus Hodgkin (Lymphogranulomatose, engl.: Hodgkin lymphoma) ist eine bösartige Erkrankung mit Lymphknotenvergrößerungen und typischem Bild unter dem Mikroskop: Dort erkennt man Zellhaufen, sog. Granulome. In ihnen findet man typischerweise “Sternberg’sche Riesenzellen” umgeben von T-Lymphozyten.
Bei wem die Krankheit auftritt: Befallen werden überwiegend jungen Menschen. Die Erkrankung beginnt meist mit einer Vergrößerung von Lymphknoten im Halsbereich und im Hilus der Lungen. Zwei Haupttypen werden unterschieden:
Der klassische Typ wir in 4 Untertypen gegliedert: noduläre Sklerose (NSHL), lymphozytenreiche (LRHL), gemischte Zellularität (MCHL) und lymphozytendepletierter Typ (LDHL). Die Beschwerden sind unspezifisch und unterschiedlich ausgeprägt: Abgeschlagenheit, subfebrile Temperaturen, Gewichtsabnahme. Diagnostik: Die Diagnose wird durch das Röntgenbild der Lungen (mit Lymphknotenpaketen an der Lungenwurzel) wahrscheinlich gemacht. Beweisend ist die Untersuchung einer Gewebeprobe aus einem vergrößerten Lymphknoten. Die Diagnostik hat die Aufgabe, den histologischen Typ und die Ausbreitung festzustellen. Therapie: Als Behandlung in frühen Stadien kommt meistens eine Strahlentherapie in Frage, in späteren Stadien eine aggressive Chemotherapie. Die Behandlung ist oft sehr erfolgreich und führt in etwa der Hälfte der Fälle zu einer Heilung oder einer langjährigen Symptomfreiheit. Im Fall eines Rückfalls (Relaps) stehen eine autologe Knochenmarktransplantation und inzwischen auch Anti-Lymphozyten-Antikörper und PD-1-Hemmer zur Verfügung. Prognose: Die Prognose ist in der Regel sehr gut. (1)Kaseb H, Babiker HM. Hodgkin Lymphoma. 2022 Jul 10. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island … Continue reading |
Vorkommen, Häufigkeit
Das männliche Geschlecht ist häufiger als das weibliche betroffen; das gilt vor allem bei Kindern (85 % Jungen). Die Häufigkeit (Inzidenz) des Hodgkin-Lymphoms lag 2020 bei 0,98 pro 100.000, die Sterblichkeit (Mortalität) bei 0,26 / 100000. In Ländern mit hohem Einkommen tritt die Erkrankung etwas häufiger auf. In Ländern mit niedrigem Einkommen lag die Mortalität höher. (2)J Hematol Oncol. 2022 May 11;15(1):57. doi: 10.1186/s13045-022-01281-9.
Histologie und Typen
Charakteristisch sind Zellgranulome mit Hodgkin-Zellen und Sternberg´sche Riesenzellen (Sternberg-Reed-Zellen). Je nach histologischer Zusammensetzung des Lymphknotengewebes werden folgende Typen unterschieden (die jeweils eine unterschiedliche Prognose haben, s. u.) : (3)Kaseb H, Babiker HM. Hodgkin Lymphoma. 2022 Jul 10. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island … Continue reading
- Nodulär-sklerosierender Typ (in ca. 80 %, Sternbergzellen selten, fibröse Bänder in den Lymphomen)
- Gemischtzelliger Typ (in ca. 15 %)
- Nodulär-lymphozytenreicher Typ (in ca. 5 %, meist ohne Sternbergzellen, entzündliche Reaktionen ohne Eosinophile oder Granulozyten)
- Lymphozytenarmer Typ (selten, vermehrte Fibrose)
Oft werden zwei Haupttypen unterschieden, das klassische Hodgkin Lymphom, der den nodulär sklerosierenden Typ (macht etwa 70 % des klassischen Typs aus) und den gemischtzelligen Typ macht etwa 25 % des klassischen Typs aus) enthält, und der lymphozytenreiche Typ. (4)Lancet. 2012 Sep 1;380(9844):836-47. DOI: 10.1016/S0140-6736(12)60035-X
Immunhistochemische Färbungen:
- Reed-Sternberg-Zellen positiv für CD30, CD15, aber typischerweise negativ für CD20 und CD45, zusätzlich positiv für PAX5, CD25, HLA-DR, ICAM-1, Fascin, CD95 (apo-1/fas), TRAF1, CD40 und CD86.
- Die LP-Zellen Zellen des lymphozytenreichen Typs) sind normalerweise positiv für C020, CD45, EMA, CD79a, CD75, BCL6, BOB.1, OCT2 und die J-Kette.
Entstehung
Die Erkrankung hat scheint eine genetische Grundlage zu haben (familiäre Häufung). Der Ausbruch wird möglicherweise durch eine Infektion getriggert. Beim nodulär sklerosierenden Typ ist in ca. 40% Ebstein-Barr-Viren nachweisbar. Eine Immunschwäche erhöht das Krankheitsrisiko; bei AIDS-Patienten ist die Inzidenz erhöht. (5)Expert Rev Hematol. 2021 Jun;14(6):547-559. DOI: 10.1080/17474086.2021.1935851
Beginn meist mit Befall eines Lymphknotens, dann Ausbreitung in benachbarte Lymphknoten, zunächst noch auf einer Seite des Zwerchfells, später auf beiden Seiten und Einbeziehung der Milz und des Knochenmarks.
Klinik
Symptome: Sie sind unspezifisch. Wenn Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, Fieber oder eine Gewichtsabnahme nicht erklärlich sind, dann können sie im Sinne einer B-Symptomatik Hinweis auf eine Tumorerkrankung sein. Sie treten bei bis zu 30 % der Patienten auf, meist in den Stadien 3 bis 4, beim gemischtzelligen und beim lymphozytenarmen Typ.
Häufig wird über Bauchschmerzen nach Alkoholgenuss (Alkoholunverträglichkeit) und über unerklärlichen Juckreiz geklagt, was die Diagnostik schon deutlicher in die Richtung einer Lymphomerkrankung und speziell des Morbus Hodgkin lenkt. In späteren Stadien kommen Symptome durch den Befall verschiedener Organe hinzu.
Klinischer Untersuchungsbefund: möglich sind Lymphknotenschwellungen (Hals, Supraklavikulargruben, Achseln, Leisten), Hepatosplenomegalie.
Die Symptomatik und der klinische Untersuchungsbefund können auch für andere Lymphomerkrankungen sprechen. Die wichtigste Differentialdiagnose ist das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL).
Diagnostik
Anamnese: Die Symptomatik ist meist unspezifisch: Abgeschlagenheit, Leistungsabnahme, Nachtschweiße können Anlass für eine klinische Untersuchung sein.
Körperlicher Untersuchungsbefund: Ein erster Anhalt für eine Lymphomerkrankung entsteht meist durch die klinische Untersuchung: Auffällig können Lymphknotenvergrößerungen am Hals, in den Achseln und/oder den Leisten sein.
Technische Untersuchungen: In bildgebenden Verfahren können Lymphknotenvergrößerungen (bis hin zu Lymphknotenpaketen) erkannt werden. Häufig werden sie bei Untersuchungen aus anderen Gründen zufällig entdeckt.
Meist steht eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) am Anfang. Die weitere Diagnostik beinhaltet:
- Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) des Thorax und des Abdomens,
- PET-Untersuchung: Sie gibt einen Hinweis auf die maligne Aktivität des Tumors und auf bis dato verborgene Absiedlungen.
- Lymphknotenbiopsie und Histologie (ggf. auch Milzhistologie),
- Knochenmarkbiopsie.
Laborwerte: Die Laborwerte sind nicht diagnoseweisend.
Histologie: Ein Biopsie aus einem gut erreichbaren vergrößerten Lymphknoten wird für die Histologie benötigt, die beweisend ist.
Staging
Wenn die Diagnose gesichert ist, muss der Ausbreitungsgrad bestimmt werden (lymphogene Aussaat: regionäre Ausbreitung, hämatogene Aussaat: Fernmanifestationen und Organbefall). Danach wird das klinische Stadium (Ann-Arbor-Klassifikation) festgelegt.
Stadium | |
I | Befall nur einer Lymphknotenregion |
II | Mehrere Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells |
III | Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells |
IV | Zusätzlicher Befall extralymphatischer Organe oder Gewebe (Leber, Knochenmark, Lungen etc) |
Der Zusatz A bedeutet ohne Allgemeinsymptomatik; der Zusatz B bedeutet mit Allgemeinsymptomatik (B-Symptomatik: Nachtschweiß, Fieber >38 Grad C, Gewichtsverlust). Die Stadieneinteilung wird durch verschiedene Zusätze spezifiziert (z. B. S = extralymphatischer Herd).
Therapie
In Frage kommen eine alleinige Chemotherapie, eine alleinige Strahlentherapie oder eine Kombination beider Therapieformen. (6)Kaseb H, Babiker HM. Hodgkin Lymphoma. 2022 Jul 10. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island … Continue reading
Alle Stadien mit systemischem Befall kommen für eine Chemotherapie in Betracht, die im Einzelfall auch mit einer Strahlentherapie kombiniert werden kann.
In den Stadien I und IIa kommt meist eine alleinige Strahlentherapie in Frage. Bei großen Tumormassen, ungünstiger Histologie (z.B. gemischtzelliger und lymphozytenarmer Typ), höherem Alter, hoher BSG und B-Symptomatik sollte eine kombinierte Radiochemotherapie erwogen werden. Ziel der Therapie ist eine komplette Remission. Sie wird in den Stadien I und II in über 80% erreicht. Sie werden aber auch mit einer kurzen Chemotherapie behandelt, z. B. mit zwei Zyklen ABVD (s.u.), gefolgt von einer reduzierten Bestrahlungstherapie (IFRT). Bei massiven mediastinalen Lymphomen und extranodaler Ausdehnung wird mit einer längeren Chemotherapie (4 bis 6 Zyklen) behandelt gefolgt von einer höheren Dosis von IFRT .
In den Stadien III und IV wird meist mit einer Kombination von Doxorubicin, Bleomycin, Vinblastin und Dacarbazin behandelt (ABVD-Schema). In einer Studie wurde der Zusatz von Brentuximab-Vedotin, einem Antikörper gegen CD30 (ein Membranrezeptor von TNF-alpha), in einer Studie an 664 Patienten getestet (A+AVD; ohne Bleomycin). In der geplanten Zwischenauswertung hat sich bereits ein deutlicher Vorteil für A-AVD ergeben. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 73,0 Monaten waren 39 Patienten gestorben (vs. 64 in der ABVD-Gruppe). Das Gesamtüberleben nach 6 Jahren betrug rechnerisch 93,9 % (vs. 89,4 %). (7)N Engl J Med. 2022 Jul 13. DOI: 10.1056/NEJMoa2206125 Auch die Kombination von Ifosfamid, Carboplatin und Etoposid (ICE) ist beim klassischen Morbus Hodgkin effektiv. (8)Lancet Haematol. 2021 Aug;8(8):e562-e571. doi: 10.1016/S2352-3026(21)00170-8 (9)Ann Oncol. 2003;14 Suppl 1:i11-6. DOI: 10.1093/annonc/mdg703
Tritt ein Relaps ein, kann eine “Salvagetherapie” erfolgreich und auch auch eine Hochdosis-Chemotherapie inkl. Rituximab mit Knochenmarkstransplantation erfolgversprechend sein. (10)Bone Marrow Transplant. 2022 Apr;57(4):579-585. DOI: 10.1038/s41409-022-01599-5
Die Chemotherapeutika können Nebenwirkungen hervorrufen, die z.T. reversibel sind, aber auch erhebliche Folgeschäden hinterlassen (z.B. Polyneuropathie, Kardiomyopathie, Lungenfibrose). Ein Risiko der Radiochemotherapie besteht im Auftreten von malignen Zweiterkrankungen, vor allem eines Non-Hodgkin-Lymphoms (NHL), einer akuten Leukämie, eines Lungenkarzinoms, Schilddrüsenkarzinoms und Mammakarzinoms. Relativ häufig entwickelt sich eine Hypothyreose, so dass die Schilddrüsenparameter kontrolliert werden sollten. Wenn die Aortenklappe im Strahlenfeld liegt, kann sie degenerieren und zu einer schweren Herzinsuffizienz führen.
Die Überwachung hat den Krankheitsprozess (Relaps, Remission) sowie Komplikationen und Folgeschäden der Krankheit und der Therapie im Auge zu behalten.
PD-1-Hemmer in der Therapie
Der klassische Morbus Hodgkin: Die meisten Patienten können geheilt werden. Etwa 10-25% erleiden einen Rückfall (Relaps). Als Behandlung kam bisher eine Salvage-Chemotherapie mit anschließender autologen Stammzelltransplantation in Frage. Allerdings heilt sie nur etwa 50% und ist mit einer extrem hohen Toxizität und einem deutlich erhöhten Risiko für ein sekundäres Malignom verbunden und kommt bei älteren Patienten weniger in Betracht. Die Einführung eines PD-1-Blockers (Hemmer der programmierten Zelltods, gehören zu den Immuncheckpoint-Inhibitoren) hat die Therapieergebnisse bedeutend verbessert. (11)Cancers (Basel). 2022 Jun 14;14(12):2936. DOI: 10.3390/cancers14122936. Pembrolizomab beispielsweise ermöglichte bei Patienten, die für eine Transplantation geeignet gewesen wären oder nach einer Transplantation einen Relaps erlitten hatten, ein mittleren progressionsfreies Überleben von 13,2 Monaten. Nebenwirkungen waren in 4% eine Pneumonitis (Lungenentzündung ohne infektiöse Auslöser; ein Todesfall), in 2% eine Neutropenie und in 1% eine Neuropathie. (12)Lancet Oncol. 2021 Apr;22(4):512-524. doi: 10.1016/S1470-2045(21)00005-X
Behandlung der lymphozytenreichen Hogdkin-Krankheit
Die lymphozytische Hodgkin-Krankheit erfodert Behandlungsstrategien, die Strahlentherapie, Kombinationstherapie, Chemotherapie, Rituximab und beobachtendes Abwarten umfassen – je nach Stadium. (13)Br J Haematol. 2019 Jan;184(1):17-29. DOI: 10.1111/bjh.15616. Eine Studie erbrachte folgende Ergebnisse: Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 55,8 Monaten betrugen die 10-Jahres-PFS- und Schätzungen zum Gesamtüberleben 44,2 % bzw. 94,9 %. Die Schätzwerte für ein progressionsfreies Überleben über 4 Jahre betrugen 79,6 % nach Strahlentherapie, 77,0 % nach Rituximab allein, 78,8 % nach Chemotherapie oder Immun-Chemotherapie und 93,9 % nach kombinierter Behandlung. (14)Haematologica. 2015 Dec;100(12):1579-86. DOI: 10.3324/haematol.2015.133025
Prognose
Die Behandlung ist in über 90% der Fälle erfolgreich (Erreichen einer vollständigen Remission). Aber in etwa 10 % der Patienten spricht sie nicht an. Bis zu 30 % der Patienten erleiden später einen Rückfall (Relaps). In diesen Fällen kann eine autologe Knochenmarktransplantation indiziert sein. In diesen Fällen kann ggf. Brentuximab Vedotin (Antikörper gegen den Oberflächenmarker CD30) zusätzlich zu einer Chemotherapie infrage kommen (15)N Engl J Med. 2022 Jul 28;387(4):310-320. DOI: 10.1056/NEJMoa2206125; das wurde auch bei Kindern gezeigt. (16)N Engl J Med. 2022 Nov 3;387(18):1649-1660. DOI: 10.1056/NEJMoa2206660 Infrage kommen zudem eine PD-1-Blockade (Apoptosehemmung) und eine nicht-myeloablative allogene Transplantation. (17)Kaseb H, Babiker HM. Hodgkin Lymphoma. 2022 Jul 10. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island … Continue reading
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Verweise
Literatur