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Allgemeines
Darmpolypen sind Schleimhautwucherungen, die als Erhabenheiten bei einer Darmspiegelung erkennbar sind. Sie befinden sich vorwiegend im Dickdarm, selten im Dünndarm. Sie sind meist gutartig, können aber Vorstufen von Darmkrebs darstellen oder selbst bereits Krebsnester enthalten. Dickdarmpolypen werden im Rahmen einer Krebsvorsorge aktiv gesucht. Ihre Entfernung (Polypektomie) ist die wirksamste Maßnahme zur Darmkrebsvorbeugung und wird von Krankenkassen je nach Risikoeinschätzung übernommen.
Die Vorsorgekoloskopie hat zum Ziel, Polypen im Dickdarm zu entdecken und zu entfernen und damit das Risiko von Darmkrebs erheblich zu senken.
→ Polypen
→ Polypektomie
→ Darmkrebs
Entstehung
Dickdarmpolypen beginnen als flache Schleimhauterhabenheiten. Sie können im Laufe der Zeit wachsen und einen Kopf und einen Stiel ausbilden. Größere Polypen weisen unterschiedliche Oberflächenstrukturen im Kopfbereich auf (histologisch mit Epitheldysplasien). Es werden verschiedene Grade an Entartung unterschieden (Dysplasiegrad 1 – 3). Der Grad 3 kann schließlich zum kolorektalen Karzinom (Darmkrebs) entarten (siehe unter Adenom-Karzinom-Sequenz). Polypen sind daher als Krebsvorstufen (Präkanzerose) anzusehen und sollten entfernt werden.
Diagnostik
Darmpolypen werden durch eine Spiegelung (Koloskopie) diagnostiziert. Ist eine Spiegelung nicht möglich oder gewünscht, kann die Diagnostik auch röntgenologisch z. B. durch eine virtuelle Koloskopie, erfolgen.
Makroskopische Beurteilung
Polypen im Darm werden am sichersten durch eine Spiegelung (Endoskopie) erkannt. Die Beschreibung beinhaltet Lokalisation, Größe, Konsistenz, Verletzlichkeit (Kontaktvulnerabilität) und Form (flach, sessil, breit aufsitzend, kurz oder lang gestielt). Durch Nahsicht und Verfahren zur Kontrastanhebung (wie z. B. Narrow-Band-Imaging, NBI) können Oberflächenstrukturen besser erkannt werden. So kann beispielsweise beurteilt werden, ob die Schleimhaut auf dem betreffenden Polypen z. B. regelmäßig, wirbelartig oder völlig irregulär ist. Damit kann bereits makroskopisch ein Eindruck von der vermutlichen Gut- oder Bösartigkeit (Dignität, Malignität) erhalten werden. Kleine Polypen bis 5 mm werden endoskopisch mit einer Zange, größere Polypen, soweit risikoarm durchführbar, mit einer Schlinge entfernt (siehe unter Polypektomie). Eine Untersuchung unter dem Mikroskop (Histologie) stellt die Gut- oder Bösartigkeit definitiv fest.
Histologie
Je nach Histologie werden die Polypen in verschiedene Dysplasie-Typen eingeteilt (low grade Dysplasie, high grade Dysplasie). Low-grade-Dysplasien sind noch unbedenklich, high-grade-Dysplasien befinden sich bereits nahe an der Entartung zu Krebs und müssen sorgfältig und vollständig unter dem Mikroskop durchmustert werden.
Vollständige Koloskopie schützt
Eine vollständige Spiegelung ist Voraussetzung für eine vollständige Schleimhautbeurteilung. Bei einer Koloskopie soll das Coecum erreicht werden (eine Ileumintubation ist nicht erforderlich). Eine geforderte Mindestzeit für den Rückzug des Geräts aus dem Coecum (mindestens 7 Minuten) sorgt für eine ausreichende Zeit zur Betrachtung der verschiedenen Schleimhautareale. Dem Untersucher können dennoch kleine Polypen, die z. B. hinter einer Falte gelegen sind, entgehen. Umlagerungen während der Untersuchung können versteckte Stellen einsehbar machen. Eine sorgfältige Untersuchung schützt den Patienten statistisch sehr gut vor Darmkrebs innerhalb der nächsten 10 Jahre.
Eine Auswertung der Daten von 25 862 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 58,1 Jahren, die nach den Vorgaben des CLEER-Programms (Clean: sauberer Darm; Look Everywhere; Abnormality Removed) untersucht worden waren, ergab ein Darmkrebsrisiko von nur noch 1,6 % für den Rest des Lebens versus 4,7 % in der populationsbasierten Krebsregistratur der USA (SEER-Programm). (1)Gastrointest Endosc. 2020 Apr;91(4):905-916.e4. DOI: 10.1016/j.gie.2019.11.043. Epub 2019 Dec 7. … Continue reading
Sichere Erkennung kleiner Polypen
Damit kleine Polypen sicherer erfasst werden können, werden computergestützte Bilderkennungsprogramme entwickelt. Sie sollen den Untersucher dabei unterstützen, Erhabenheiten richtig einzuordnen und Polypen nicht zu übersehen. (2)PLoS One. 2019 Mar 25;14(3):e0214133. DOI: 10.1371/journal.pone.0214133. PMID: 30908513; PMCID: … Continue reading (3)PLoS One. 2021 Apr 28;16(4):e0250632. DOI: 10.1371/journal.pone.0250632. PMID: 33909671; PMCID: … Continue reading (4)Gastroenterology. 2018 Oct;155(4):1069-1078.e8. DOI: 10.1053/j.gastro.2018.06.037. Epub 2018 Jun … Continue reading
Risiko der Entartung zu Darmkrebs
Sporadische Polypen
Die meisten Polypen, die bei einer Vorsorgekoloskopie gefunden werden, gehören zu den “sporadischen” Polypen, d. h. sie treten unvorhersehbar zu nehmend mit zunehmendem Alter auf. Zunächst sind sie nur kleine Erhabenheiten und in ihrer Schleimhaut nicht auffällig: es sind einfache “hyperplastische Polypen” (mit einem Zuviel an normaler Schleimhaut).
Einfache hyperplastische Polypchen wurden als harmlos angesehen, was aber bezweifelt wird. Auch sie sollten entfernt oder ggf. nachbeobachtet werden. (5)Clin Gastroenterol Hepatol. 2004 Jan;2(1):1-8. DOI: 10.1016/s1542-3565(03)00284-2. PMID: 15017625. Allerdings wurde die Assoziation mit der Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms bei einer Langzeitbeobachtung als sehr gering eingestuft. (6)Acta Gastroenterol Belg. 2010 Oct-Dec;73(4):441-4. PMID: 21299152. Mehr dazu siehe unten.
Größere Polypen besitzen einen Kopf und einen Stiel. Am Kopf (nicht am Stiel) bilden sich Unregelmäßigkeiten der Schleimhaut, die als “Dysplasie” bezeichnet werden. Es entsteht ein Adenom. Der Polypenkopf hebt sich makroskopisch vom Stiel ab. Gehäuft findet man solche adenomatöse, dysplastische Polypen ab einem Alter von 45-50 Jahren. Sie stehen meist einzeln und wachsen im Laufe der Jahre weiter. Je größer sie werden, desto unregelmäßiger wird die Schleimhaut im Kopfbereich. Es werden verschiedene Grade der “Dysplasie” unterschieden. Mit zunehmendem Dysplasiegrad steigt das Risiko einer malignen Entartung (Krebsentstehung); ab 1 cm ist es schon beträchtlich. Sehr große, fast lumenverschließende Polypen sind mit recht hoher Wahrscheinlichkeit entartet, wenngleich sie in gewissem Prozentsatz auch noch gutartig geblieben sein können; letztendlich entscheidet immer die Histologie. Makroskopisch kann dann bereits auf Malignität geschlossen werden, wenn Verhärtungen, eingeschränkte Beweglichkeit und Zerfall (größere Ulzerationen) nachweisbar sind.
Vorsorgekoloskopie zur Entdeckung sporadischer Polypen
Eine Vorsorgekoloskopie sollte ab einem Alter von 45 (-55) Jahren durchgeführt werden, laut Leitlinie ab 50 Jahren (siehe hier). Sie dient nicht nur dazu, Krebs frühzeitig zu entdecken, sondern insbesondere dazu, Polypen aufzufinden und zu entfernen und damit Darmkrebs zu verhindern. Anschließend sollten in bestimmten Intervallen Nachkontrollen erfolgen. Üblich ist ein Abstand von 10 Jahren. Die bisherigen Daten zu den Vorsorgeintervallen beruhen auf Fallkontrollstudien, bei denen die Sigmoideoskopie (Spiegelung nur des linken unteren Dickdarmabschnitts) zugrunde gelegt wurde.
Bei Entdeckung von Polypen wird (bei vorliegender vorsorglicher Einverständniserklärung) in gleicher Sitzung eine endoskopische Entfernung (Polypektomie) vorgenommen.
→ Darmkrebsvorsorge
→ Vorsorgekoloskopie
→ Polypektomie
Hereditäre Polypen
Polypen können in seltenen Fällen bereits in jugendlichem Alter auftreten und haben dann in der Regel eine genetische Grundlage. Meist lässt sich eine positive Familienanamnese erheben: es finden sich nahe Blutsverwandte, die in jungem Alter Polypen oder gar Darmkrebs entwickelt hatten. Zwei Hauptformen sind zu unterscheiden:
FAP: Sehr viele Polypen werden bei der familiären adenomatösen Polyposis coli (FAP) und beim Peutz-Jeghers-Syndrom gefunden. Ihre konsequente Entfernung und engmaschige Kontrolle ist wegen des hohen Darmkrebsrisikos unbedingt erforderlich. Wegen des extrem hohen Krebsrisikos wird bei der FAP oft auch eine frühzeitige Entfernung des gesamten Dickdarms (Kolektomie) empfohlen.
HNPCC: In seltenen Fällen sind bereits sehr kleine flache Polypen krebsartig degeneriert, oder es entwickeln sich von vorne herein, also ohne polypöse Vorstufe, kleine Karzinome. Dies wird beim HNPCC diskutiert. Findet der Endoskopiker solch einen verdächtigen Schleimhautbezirk, so wird er ihn durch spezielle Techniken der Kontrastanhebung bei Nahsicht beurteilen. Unregelmäßige Wirbel der kleinen Fältchen sind hoch verdächtig und lassen an ein HNPCC denken. Kleine Polypen dieser Art werden meist durch eine Mukosektomie vollständig entfernt und unter dem Mikroskop untersucht.
Die Suche nach Polypen im Kolon und ihre endoskopische Entfernung durch Polypektomie gehört zur Aufgabe bei der Vorsorgekoloskopie.
Adenom-Karzinom-Sequenz
In etwa 3/4 der Fälle entsteht Darmkrebs über die Adenom-Karzinom-Sequenz, wobei meist der Weg über eine Mutation des KRAS-Onkogens, in etwa 7,5 % über eine BRAF-Mutation nachweisbar ist. (Siehe unter Onkogene.) Wenn in der hyperplastischen Schleimhauterhabenheit eine BRAF-Mutation erworben wird, kann sich ein serratiertes Adenom entwickeln. Bei Erwerb einer KRAS-Mutation entwicklet sich in ihr ein (nicht serratierter) adenomatöser Polyp. Über beide Wege können hyperplastische Polypen zu Darmkrebs fortschreiten. (7)Cancer Res. 2003 Aug 15;63(16):4878-81. PMID: 12941809. (8)World J Gastroenterol. 2017 May 7;23(17):3022-3029. DOI: 10.3748/wjg.v23.i17.3022. PMID: 28533659; … Continue reading
→ Dazu siehe hier.
Serratierte Polypen
Bisher wurde davon ausgegangen, dass Darmkrebs über zwei Wege entstehen kann, über eine de-novo-Entstehung, wie beim HNPCC, oder über den Weg der Adenom-Karzinom-Sequenz. Adenome wurden lange Zeit als einzig bedeutsame Vorstufen von sporadischem Darmkrebs angesehen. Daher wurde die Zahl der bei einer Endoskopie entdekcten ademonatösen Polypen als Qualitätskriterium für die Screening-Koloskopie angesehen.
Aber die früher als harmlos angesehenen serratierten flachen Polypen sind ebenfalls in den Fokus gerückt: Es ist ein dritter Weg entdeckt worden, der über sessile serratierte (gezackte Oberflächenstruktur bei Nahsicht) Polypen (sessile serrated adenoma/polyps (SSA/Ps) ) verläuft; bei ihnen steht eine Mikrosatteliteninstabiliät im Zentrum der Pathogenese (9)Annu Rev Pathol. 2009;4:343-64. doi: 10.1146/annurev.pathol.4.110807.092317.. Inzwischen ist die Nomenklatur in “sessile serrated lesion” (SSL) geändert worden. (10)Dig Endosc. 2022 Sep;34(6):1096-1109. DOI: 10.1111/den.14273
Serratierte Polypen sollen für 20% der Darmkrebsfälle verantwortlich sein (11)Am J Gastroenterol. 2004 Nov; 99(11):2242-55. Die Zahl der bei einer Vorsorgekoloskopie entdeckten serratierten Polypen kann daher ebenfalls als Qualitätskriterium der Untersuchung dienen. (12)Endosc Int Open. 2021 Apr;9(4):E610-E620. DOI: 10.1055/a-1352-4095. Epub 2021 Apr 13. PMID: … Continue reading
Einfache hyperplastische (nicht dysplastische) Polypen von solchen serratierten präkanzerösen Polypen zu unterscheiden, ist makroskopisch schwierig. Die vergrößernde Chromoendoskopie und Endocytoscopie (EC) sind jedoch Methoden, die sich in der Unterscheidung beider Typen sessiler Polypen als nützlich herausgestellt haben. In der EC weisen SSA/Ps wegen dilatierter Krypten weite ovale Lumina und kleine runde Kerne auf, hyperplastische Polypen dagegen enge Lumina und kleine Kerne (13)Gastrointest Endosc. 2014 Apr; 79(4):648-56. (14)Endosc Int Open. 2017 Aug;5(8):E769-E774. doi: 10.1055/s-0043-113562. Wegen der Schwierigkeit, die Typen zu endoskopisch unterscheiden, sollte jeder hyperplastisch aussehende Polyp entfernt werden. Auch hier entscheidet die Histologie.
Polypose-Syndrome
Polypose-Syndrome sind genetisch fixiert und prädisponieren für eine Degeneration zu Darmkrebs. Inzwischen werden eine Reihe verschiedener Syndrome unterschieden; die Betroffenen und die engen Familienmitglieder sollen genetisch getestet werden. Ihre Behandlung sollte in Zentren mit der Möglichkeit zu genetischer Beratung erfolgen. (15)Frontline Gastroenterol. 2019 Oct; 10(4): 379–387. DOI: 10.1136/flgastro-2018-101053. Folgende Syndrome lassen sich differenzieren:
- Adenomatöse Polyposis-Syndrome
- Familiäre adenomatöse Polypose (FAP)
- MUTYH-assozierte adenomatöse Polypose (MAP)
- Serratiertes Polypose-Syndrom (SAP)
- Hamartomatöses Polypose
- Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS)
- Juveniles Polypose-Syndrome (JPS)
- PTEN Hamartomatöses Tumorsyndrom
→ Zu Polypose-Syndromen siehe hier.
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Verweise
- Adenom-Karzinom-Sequenz
- Polypen
- Polypektomie
- Kolonkarzinom
- FAP
- HNPCC
- Peutz-Jeghers-Syndrom
- Dickdarmspiegelung (Koloskopie)
- Der Dickdarm
- Darmkrebs – einfach erklärt
- Vorsorgekoloskopie
Literatur