Ibuprofen

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Ibuprofen ist ein Medikament mit antientzündlichen, fiebersenkenden und schmerzlindernden Wirkungen.

Allgemeines

Ibuprofen gehört wegen der geringen Nebenwirkungsrate und der freien Erhältlichkeit zu den weltweit am häufigsten verwendeten Arzneimitteln, die besonders bei Kopfschmerzen, grippalen und fieberhaften Infekten, rheumatischen Beschwerden und Frauenschmerzen eingesetzt werden. Es ist als Hausmittel beliebt und verbreitet. Einige nicht erwünschte Wirkungen treten unter bestimmten Begleitbedingungen auf und führen zu einer wesentlichen Einschränkung der Indikationen, so bei definierten Herzkreislauf- und Nierenkrankheiten. 1

Kopfschmerzen

Wirkungsweise

Ibuprofen gehört zu den nicht selektiven nichtsteroidalen Antiphlogistika (nonsteroidal anti-inflammatory drugs, nicht kortisonartige antientzündliche Mittel, NSAID). Diese Substanzen wirken alle als COX-1- und COX-2-Hemmer über eine Verminderung der Prostaglandinsynthese.

Wirkungen am Gefäßsystem

Unter den Prostaglandinen wirken PGE2 und PGI2 entzündungsfördernd und ödembildend. Ihre Unterdrückung durch Ibuprofen gehört zu seiner Hauptwirkung. 2 PGE2 entspannt glatte Muskulatur, so auch die der arteriellen Gefäßwände. Dadurch wird beispielsweise bewirkt, dass der im Fetalkreislauf wichtige Ductus arteriosus offen bleibt, oder dass die afferenten Arteriolen der Glomerula in den Nieren viel Blut für die Primärharnbildung fördern.

Eine Hemmung der PGE2-Synthese durch NSAID führt damit zu Veränderungen der Durchblutung, was besonders bedeutsam in den Nieren und am Herzen sein kann.

  • In den Nieren können NSAID in hoher Dosierung besonders bei einer Vorschädigung zu einer Verminderung der Urinausscheidung und damit zu einer Niereninsuffizienz führen.
  • Am Herzen kann es ganz entsprechend besonders bei einer Vorschädigung der Koronargefäße (Herzkranzgefäße) zu einer weiteren Gefäßverengung und einer Erhöhung des Infarktrisikos führen.
  • Beim persistierend offenen Ductus arteriosus Botalli kommt es zu einer Verengung, was seinen Verschluss fördert – in diesem Fall ein gewünschter Effekt bei Frühgeborenen, bei denen dies eine häufigere Komplikation darstellt. Allerdings kann eine zerebrale Störung der Blutzirkulation dabei zu Komplikationen führen. 3

Unter den NSAID hat Ibuprofen offenbar die geringsten Nebenwirkungen (s. u.).

Wirkung am Magen

Die Hemmung von COX-1 in der Magenschleimhaut ist Hauptursache für die Schleimhautschädigungen und Magenblutungen, die als Nebenwirkungen aller NSAID auftreten können. 4 NSAID aktivieren den Lipoxigenase-Weg und erhöhen die Bildung von schleimhautschädigenden und entzündungsfördernden Leukotrienen, was wesentliche Nebenwirkungen erklärt. 5

Ibuprofen ist ein racemisches Gemisch aus S- und R-Form, wobei die S-Form ein potenterer COX-Hemmer ist. 6

Wirkung am Geschmackssinn

Ibuprofen und Naproxen hemmen die Aktivierung von TAS1R2-TAS1R3 durch Zucker. Dies sind Rezeptor-Gene für süßen Geschmack. Für TAS1R2 wurde sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen gezeigt, dass Varianten den Geschmack und die Aufnahme von Zucker und süßen Lebensmitteln beeinflussen 7. Es wird angenommen, dass eine langfristige Einnahme von Ibuprofen zusätzlich zu seiner antientzündlichen Wirkung über den Mechanismus der Geschmacksbeeinflussung das Risiko für Stoffwechselkrankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Dickdarmkrebs senkt 8.

Vergleich mit anderen Antiphlogistika

Bei der Prüfung neuerer Coxibe wurde Ibuprofen häufig als Vergleichssubstanz gewählt. Bei ihnen stellte sich heraus, dass es eine ihnen und anderen NSAID (nicht-steroidale antiinflammatorische Medikamente) vergleichbare Wirkung aufweist. Bei einer längeren kontinuierlichen Anwendung über ½ Jahr lässt bei allen NSAID’s, so auch bei Ibuprofen, die Wirkung nach, bzw. es kommt zu weitgehendem Wirkungsverlust.

Von den verschiedenen NSAID und Coxiben hat Ibuprofen (neben Naproxen) die geringsten unerwünschten Nebenwirkungen bezüglich einer Schädigung der Magenschleimhaut, Nieren oder Leber.

Aufnahme, Abbau, Wechselwirkungen

Ibuprofen wird rasch und vollständig im Darm resorbiert mit einem Konzentrationsmaximum im Blut nach etwa 1-2 Stunden. Dort wird es fast vollständig an Plasmaproteine (besonders Albumin) gebunden. Eine wesentliche Wechselwirkung mit der Bindung anderer Medikamente dort wird bei geringen Dosen nicht beobachtet. Bei hohen Dosen und Niereninsuffizienz kann es jedoch zu einer Verdrängung anderer Medikamente (wie Phenytoin) kommen. 9 Die Plasmahalbwertszeit ist mit 1-3 Stunden relativ kurz. Zur Unterdrückung anhaltender Schmerzen sind daher häufige Verabreichungen (z. B. alle 4 – 6 Stunden) erforderlich.

Der Abbau von Ibuprofen erfolgt überwiegend in der Leber über das Cytochrom CYP2C9, welches auch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (selective serotonin reuptake inhibitor, SSRI) wie Sertalin oder Citalopram und andere CYP2C9-Substrate wie Warfarin bindet. Es kann dadurch zu Medikamentenwechselwirkungen kommen. 10 Dies erklärt, weshalb es unter gleichzeitigem Gebrauch von SSRI und NSAID zu einer Verdopplung der oberen gastrointestinalen Blutungen kommt. 11 12 In der Herzchirurgie sind Studien zufolge SSRIs alleine jedoch sicher. 13

Hauptwirkungen, Indikationen

Zumeist wirken bereits geringe Dosen (1 – 3 x 400 mg) für die meisten Indikationen ausreichend. Hohe Dosen (3 – 4 x 800 mg) sind mit einer deutlich höheren Nebenwirkungsrate verbunden und nur bei besonderen Indikationen (z. B. bei chronisch rheumatischen Erkrankungen) gelegentlich indiziert. Hauptindikationen sind:

  • Entzündungshemmung und Fiebersenkung (vermittelt durch COX-2-Hemmung und Verminderung der proinflammatorischen Cytokine): z.B. bei grippalen und sonstigen interkurrenten Allgemeininfekten, Schmerzen im Rahmen lokaler Entzündungen,
  • Analgetische Wirkung: schmerzlindernd, vermittelt überwiegend durch Erhöhung der Bildung von Endocannabinoid-Anandamide (Arachidonoylethanolamide) 14: z. B. bei gelegentlichen Rücken- und Nackenschmerzen, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Gliederschmerzen, Menstruationsbeschwerden.

Wirkung beim offenen Ductus arteriosus Botalli

Bei Frühgeborenen mit persistierend offenem Ductus arteriosus Botalli vermag Ibuprofen den Verschluss ebenso effektiv wie Indometacin zu fördern ohne negative Wirkungen auf die Durchblutung des Gehirns und der Nieren zu haben und gilt laut Cochrane-Autoren dafür als Medikament der Wahl 14 15 16. Andere Autoren favorisieren dagegen Paracetamol, was allerdings wegen möglicher Nebenwirkungen bezüglich der Gehirnentwicklung noch skeptisch gesehen wird 17.

Sicherheit in Schwangerschaft

Ibuprofen gilt (bis auf die letzten 6 – 8 Wochen) als relativ sicher in der Schwangerschaft, in der Stillzeit und bei Kleinkindern (> 1/2 Jahr), bei denen es zur Fiebersenkung effektiv wirkt 18 19.

Sicherheit bei Kindern

Die Anwendung von Ibuprofen bei Kindern gilt als relativ sicher. Das Risiko einer Krankenhauseinweisung wegen Anaphylaxie, gastrointestinaler Blutung oder Niereninsuffizienz war in einer Kohorte von 84192 Kindern in den USA nicht erhöht (Risiko einer gastrointestinalen Blutung 7,2 pro 100000) 20. In einer Studie an Kindern mit Fieber zwischen 6 Monaten und 6 Jahren zeigte Ibuprofen (Verabreichung alle 6 – 8 Stunden) bezüglich der Verträglichkeit und Wirksamkeit einen Vorteil vor Paracetamol (alle 4 – 6 Stunden); allerdings wird die Kombination beider Medikamenten für noch vorteilhafter gehalten. 21

Nebenwirkungen

Zu den vergleichsweise harmlosen Nebenwirkungen von Ibuprofen gehören gelegentliches Schwindelgefühl, Oberbauchbeschwerden, Hauterscheinungen, Flatulenz und Stuhlgangsunregelmäßigkeiten.

Eine Reihe seltener, aber ernsthafter Nebenwirkungen schränkt die Indikation für Ibuprofen bei einigen Menschen mit entsprechender Disposition ein. Dazu gehören vor allem:

  • Obere gastrointestinale Blutungen: es wird angenommen, dass 1 – 2 % der kontinuierlichen NSAID-Nutzer ein Risiko einer bedeutenden Magendarmblutung pro Jahr haben. Das Risiko für Ibuprofen soll 3,5-fach erhöht sein. 22 23
  • Kardiovaskuläre Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall: eine Auswertung verschiedener Studien besagt, dass Ibuprofen zusammen mit Naproxen die niedrigsten kardiovaskulären Komplikationen bewirkt (1,18-fach und 1,09-fach) gegenüber Rofecoxib (1,45-fach), Diclofenac (1,40-fach) und Indometacin (1,30-fach). Die Ibuprofen-Nebenwirkungen wurden nur mit hohen Dosen assoziiert gefunden, 25

Vorsicht bei der Verwendung von Ibuprofen

Auch wenn die Nebenwirkungsrate von Ibuprofen vor allem in niedriger Dosierung (bis 1200 mg/Tag) gering ist, so ist es ratsam, bei folgenden Bedingungen Vorsicht walten zu lassen oder auf andere Medikamente überzugehen: 27

  • vorangegangene Schleimhautschädigung oder Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt (Magen, Zwölffingerdarm),
  • Blutungsübel bzw. Therapie mit Blutverdünnern wir Marcumar,
  • Nierenschädigung, Niereninsuffizienz,
  • koronare Herzkrankheit,
  • Hypertonie,
  • Schlaganfall,
  • Leberzirrhose,
  • Asthma,
  • letzte 6 – 8 Wochen der Schwangerschaft (wegen Gefahr der Übertragung; dagegen gilt Ibuprofen in der Stillzeit als sicher).

Wenn der Thrombozytenaggregationshemmer ASS und Ibuprofen zusammen eingenommen werden soll, dann sollte zuerst ASS (welches kovalent an den Rezeptor gebunden wird) eingenommen werden und erst in einem Abstand von etwa 1/2 Stunde Ibuprofen (welches reversibel an den Rezeptor bindet), da sonst die antithrombotichen Wirkung von ASS durch Hemmung der Blutplättchen (Thrombozyten) vermindert wirkt. (Siehe hier.)


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Verweise

Referenzen

  1. Inflammopharmacology. 2009 Dec;17(6):275-342[]
  2. J Lipid Res. 2009 Apr; 50 Suppl():S423-8[]
  3. Curr Pediatr Rev. 2014;10(3):216-37[]
  4. Proc Natl Acad Sci U S A. 1999 Jun 22; 96(13):7563-8 []
  5. Mediators Inflamm. 2013;2013:258209. doi: 10.1155/2013/258209[]
  6. J Clin Pharmacol. 1996 Dec; 36(12 Suppl):16S-19S[]
  7. Am J Clin Nutr. 2019 Jun 1;109(6):1724-1737. doi: 10.1093/ajcn/nqz043.[]
  8. Br J Pharmacol. 2025 Jun;182(12):2682-2693. doi: 10.1111/bph.70004[]
  9. Ther Drug Monit. 1996 Feb; 18(1):97-9[]
  10. Clin Ther. 2007; 29 Suppl():2477-97[]
  11. J Clin Psychiatry. 2010 Dec;71(12):1565-75[]
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  13. Perfusion. 2018 Sep;33(6):415-422. DOI: 10.1177/0267659118765933[]
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